Wie hoch sind Chinas echte Goldreserven? – Eine Analyse
Um die Goldreserven der chinesischen Zentralbank ranken sich Gerüchte. Manche Goldexperten behaupten, dass die Chinas echte Goldreserven mehr als doppelt so hoch seien wie offiziell angegeben. Andere gehen gar vom Zehnfachen aus. Begeben wir uns auf eine Spurensuche.
Chinas Goldreserven – ganz offiziell
Chinas Zuneigung zu Gold geht Tausende Jahre zurück. Edelmetalle spielten eine große Rolle; so der Silberstandard, der den Großteil der Finanzgeschichte des zweiten Jahrtausends stark prägte. Japan soll nach der Invasion 1937 in China 6.600 Tonnen Gold entwendet haben. In den zwei Jahren, bevor Mao Tse-tungs Gegenspieler Tschiang Kai-schek nach seiner Niederlage 1949 Formosa bzw. Taiwan als provisorische Republik erklärte, soll er Dutzende Tonnen Gold vom Festland auf die Insel gebracht haben. Die taiwanesische Regierung hat bestätigt, dass es ca. 86 Tonnen gewesen seien. Sie soll die damals mehrjährige Hyperinflation beendet haben. China hat also eine durchaus bewegte Geschichte in Sachen Gold hinter sich. Doch steigen wir bei der Analyse im Jahr 1976 ein; in dem Jahr, als Mao verstarb.
Bei dem Chart zu Chinas Goldreserven springt zunächst ins Auge, dass die Bestände über zweieinhalb Jahrzehnte bzw. mehrere Jahre auf gleicher Höhe verharren. Entweder wurden in diesen Jahren keine Goldreserven aufgestockt oder die Käufe und Verkäufe haben sich immer exakt ausgeglichen – könnte man meinen. Aber dem war (wohl) nicht so.
China hat dem Internationalen Währungsfonds keine Daten über die Goldreserven übermittelt, wo die offiziellen Statistiken erstellt werden. Etwa von 2009 bis 2015, als die formellen Zahlen unverändert bei 1.054 Tonnen – 34 Millionen Unzen – lagen und dann plötzlich um fast 60 Prozent auf 1.658 Tonnen – ca. 53 Millionen Unzen – in die Höhe schnellten. China lüftete das Geheimnis um seinen Goldschatz, titelte Bloomberg im Juli 2015. Die letzte “Funkstille” oder “Inaktivität” herrschte etwas mehr als drei Jahre, von September 2019 bis Oktober 2022.
Doch danach nahm der Goldbestand in Chinas Zentralbanken nach formeller Lesart zu – und das 17 Monate in Folge.
Schauen wir uns die nächste Art amtlich mitgeteilter Zahlen an: Wie viele Tonnen wurden in China offiziell gefördert? Das Jahr 1978 bildet hier einen Meilenstein. Unter dem neuen Präsidenten Deng Xiaoping wurde die Goldförderung für private Unternehmen erlaubt. Die ersten Jahre unter der neuen Spitze der Volksrepublik war die Menge der heimischen Förderung eher vernachlässigbar. Beginnen wir 1990, als die eigene Förderung die 100-Tonnen-Marke überschritt, und um die Berechnung konservativ zu halten.
Die gesamte Goldförderung von 1990 bis 2023 lag zusammengerechnet bei ungefähr 9.000 Tonnen. Die offiziellen Goldreserven liegen bei knapp 2.265 Tonnen. In fast 50 Jahren hat China damit das Vierfache an Gold produziert als die Zentralbank aktuell an Reserven lagern soll? Wo ist das Gold geblieben? Insbesondere, weil der Export der heimischen Produktion verboten ist. Die Diskrepanz ist so groß, dass Zweifel an den durch China bekannt gegebenen Zahlen und Chinas echte Goldreserven als berechtigt erachtet werden können.
Chinas echte Goldreserven: Top Secret!
Bevor es mit dem Thema Goldförderung weiter geht, zwei Stimmen, die eine heimliche Vorgehensweise Chinas untermauern könnten. Deng Xiaoping riet seinem Volk, sich wie eine Antilope bedeckt zu halten und abzuwarten. Ein anderes Zitat lautet: “Bewahre einen kühlen Kopf und bleibe unauffällig.” Hier zeigt sich die Einstellung des “Überragenden Führers”, sich vorsichtig und reserviert zu verhalten. Ein anderes passendes Zitat von ihm besagt: “Wir dürfen nicht zu hell leuchten”, was vor dem Hintergrund des strahlenden Goldes wohl noch besser passen würde.
Michel Oksenberg, im Nationalen Sicherheitsrat unter US-Präsident Jimmy Carter von 1977 bis 1980, liefert interessante Einblicke zu Chinas Politik. Für diesen Job ließ er sich als Professor von der University of Michigan beurlauben, wo er 1990 mit seinem Kollegen Harold Jacobson ein Buch mit dem Titel “Chinas Teilnahme an der IWF, der Weltbank und Gatt” veröffentlichte. Oksenberg, der unter Carter für China und Ostasien zuständig und auf dem Gebiet sehr einflussreich war, schreibt, dass Informationen über Chinas echte Goldreserven und den Geldumlauf als “streng geheim” eingestuft wurden.
Chinas echte Goldreserven – und die Förderung im Ausland
Zurück zur Chinas Goldförderung: Das Land hat in den Fördermengen 2007 Südafrika überholt und ist seitdem der größte Goldförderer der Welt. Über die Hälfte der Goldproduktion ist in Staatshand. Seit den 2010er Jahren sind chinesische Minenbetreiber – aufgrund der zurückgehenden heimischen Reserven – ins Ausland expandiert. Insbesondere seit 2020 sind sie in Afrika, Südamerika und Asien auf Einkaufstour. Chinas Regierung hat die eigenen Unternehmen offensiv gefördert. In diesem Jahr überstieg die im Ausland geförderte Menge die heimische um 15 Tonnen. Vergangenes Jahr beispielsweise hat der Bergbauriese Zijin die Rosebel Goldmine in Surinam erworben. Dort befindet sich eine der größten Vorkommen Südamerikas.
Ein ausschlaggebender Punkt für den Importbedarf stellt auch die Nachfrage der Privathaushalte dar. Der private Goldbesitz wurde seitens der Regierung in Peking erst 2004 legalisiert. Ein erneutes Goldverbot ist nicht wahrscheinlich. Die chinesische Regierung hält die Bevölkerung an, in Gold zu investieren und bestärkt sie darin – während in Deutschland die Grünen öffentlich darüber nachdenken, die Bürger mit einer Goldsteuer zu belegen.
Ratgeber: Goldverbot
Chinas echte Goldreserven: Was sagen kritische Experten?
Die Berechnungen über die real vorhandene Menge in Chinas Goldlager ist eine sehr verzwickte Angelegenheit. Sie ist eine sehr große Herausforderung für Datenjournalisten, da absolut belastbare Zahlenfundamente schlichtweg nicht vorhanden sind. Anstatt verschiedene komplexe Berechnungswege nachzuvollziehen, sollen hier kurz und knapp die Kernaussagen von Goldexperten und ihren jeweiligen Schätzungsergebnissen aufgezeigt werden. Was denken sie über Chinas echte Goldreserven, über die wirkliche Höhe der Tonnen, die im Reich der Mitte lagern?
Unter diesen undurchsichtigen Umständen spielen bei den Recherchen im Übrigen auch Aussagen von anonymen Informanten eine Rolle, auf die man sich bei den Berechnungen und Schätzungen bezieht. Zunächst einen Blick darauf, was fünf Top-Experten der globalen Gold-Community zu der Thematik zu sagen haben.
Jan Nieuwenhuijs: Der Goldexperte zeigt auf, dass China bereits 1992 mit hoher Wahrscheinlichkeit heimlich 400 Tonnen Gold von den Niederlanden gekauft hat. Das berichtete 1993 die renommierte niederländische Abendzeitung NRC Handelsblad. Damit hätten Chinas echte Goldreserven schon damals nicht den offiziellen Angaben entsprechen können. Darüber hinaus bezieht er sich hinsichtlich der Gegenwart auf Kontakte, die ihm berichteten, dass die chinesische Zentralbank (PBoC) Proxy-Unternehmen nutze, um auf außerbörslichem Wege verdeckt Gold zu kaufen.
Seine letzten Schätzungen liegen bei 5.300 Tonnen.
Jim Rickards: Der ehemalige Pentagon-Berater beruft sich auf CEOs großer Banken und pflichtet Nieuwenhuijs quasi bei. Über die Göldbörse SGE (Shanghai Gold Exchange) laufe zu 100 Prozent nur privater Handel; beim Erwerb von Goldbarren und Goldmünzen sind die chinesischen Privathaushalte weltweit führend. Der Staat decke sich mit Gold aus dem Ausland nicht über diese Börse ein, sondern über nicht deklarierte zwischengeschaltete Finanzinstitute.
Gegenüber Peter Schiff – einem anderem bekannten Skeptiker, der nie geschätzte Zahlen in den Raum geworfen hat – gab Rickards in einem Interview im August 2014 eine Schätzung ab. Diese bisher niedrigste Schätzung von ihm liegt bei:
3.000 Tonnen mehr als angegeben.
Dominic Frisby: Für den britischen Finanzautor ist die Goldförderung im Inland ein Hauptargument. Ende des vergangenen Jahres sagte er auf der New Orleans Investment Conference, dass China seit dem Jahr 2000 ca. 7.000 Tonnen selbst gefördert hätte. In diesem Jahrtausend seien schon 22.000 Tonnen an der SGE entzogen worden. Diesen beiden Zahlen 4.000 Tonnen hinzugerechnet, die im Jahr 2000 schon in China vorhanden gewesen waren, ergibt die Summe seiner Berechnung 33.000 Tonnen. Die Hälfte davon sei in Staatsbesitz.
Er geht demnach von 16.500 Tonnen aus – etwa zwei Mal so viel, wie offiziell in den USA.
Ross Norman: Der unabhängige Gold-Analyst sagte im Februar gegenüber Euronews, dass Chinas Nachfrage undurchsichtig sei. Nachrichten und Berichte seien oft anekdotisch bzw. beruhten auf Erzählungen. In einem Artikel verwies er darauf, dass die regierungsnahe chinesische Zeitung “Globaltimes” 2016 sich auf Daten eines chinesischen Finanzinformationsdienstleisters bezog und von 2.200 Tonnen mehr Goldreserven ausging.
Normans Schätzung zu Chinas echte Goldreserven: 2.200 Tonnen zusätzlich – sagen wir aufgerundet 4.500 Tonnen.
Alaisdar Macleod: Zu guter Letzt Alaisdar Macleod, ein alter Hase im Investment-Geschäft mit mehr als 50 Jahren Erfahrung. Er geht davon aus, dass das Gold in Staatsbesitz nicht nur bei den Zentralbanken untergebracht sei. Es sei beispielsweise auf die Konten des Zentralkomitees, der Jugendorganisation der KP oder des Militärs verstreut.
Seine Aussagen sind insofern beachtenswert, dass es das zentralisierte System in China als Ganzes berücksichtigt. Das mächtige Militär ist ein Bestandteil, von dem bekannt ist, dass es im Inland Gold abbaut. Das Staatsorgan ist besonders geeignet, Geheimnisse zu bewahren. Es braucht ohnehin keine Rechenschaft über Goldkäufe abzulegen.
Nicht nur auf die Zentralbank, sondern auf den Staat als Gesamtheit betrachtet, setzt Macleod seine Schätzungen über Chinas echte Goldreserven bei 20.000 Tonnen an.
Chinas Goldreserven – und der Grund für heimliche Goldpolitik
Doch warum sollte China eine solche heimliche Goldpolitik betreiben? Ein Hauptgrund ist die Vormachtstellung der Weltleitwährung US-Dollar herauszufordern. Laut einer 2009 veröffentlichten Wikileaks-Enthüllung sieht China die Rolle der internationalen Reservewährung als kritisch und will sie untergraben. Die USA würden in den Goldmarkt eingreifen, um den Preis des Goldes niedrig zu halten. Dadurch soll der Wert des US-Dollars in der Wahrnehmung in der breiten Öffentlichkeit künstlich hochgehalten werden.
Die BRICS-Länder haben ihre Pläne bekannt gegeben, sich vermehrt von der Abhängigkeit des US-Dollars lösen zu wollen; die Maßnahmen hierfür werden gemeinhin als De-Dollarisierung bezeichnet. Dazu ist eine goldgedeckte Handelswährung zwischen den Ländern geplant, die auch öffentlich gemacht wurde. Das BRICS-Staatenbündnis – dem Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika angehören – hat Anfang 2024 neue Mitglieder aufgenommen, woraus sich die so genannte BRICS-plus gebildet hat.
Mehr zu Chinas heimlicher Strategie die Rückkehr zum Goldstandard betreffend erfahren Sie hier!
Zu den neu aufgenommenen Staaten gehören, der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Argentinien, Ägypten und Äthiopien. Im Hinblick auf weitere Rohstoffe sind in den BRICS-plus-Staaten übrigens vier der zehn Länder mit den größten Ölvorkommen vertreten, was in geopolitischen Konflikten als Druckmittel eingesetzt werden könnte. Wie zu Zeiten der Ölkrise in den 1970ern würden sich die beiden Rohstoffe bzw. der Ölpreis mit dem Goldpreis in der Kursentwicklung weitgehend gleich verhalten. In solch einer Krisensituation würde Gold, aber auch Silber, den einhergehenden Inflationstendenzen entgegenwirken.
Ein zweiter wichtiger Grund ist es, sich gegen mögliche Sanktionen gegen das eigene Land zu wappnen. Die chinesische Zentralbank macht keinen Hehl daraus, dass man sich auch auf der Ebene des Währungen auf einen Taiwan-Krieg mit den USA rüsten müsse. China dürfe im Konfliktfall nicht Opfer westlicher Sanktionen werden, wie Russland im Ukraine-Krieg. Mit Russland, dem mit Australien zusammen zweitgrößten Goldproduzenten der Welt, und dem Iran sind zwei Länder in den BRICS-plus, die schon seit vielen Jahren mit westlichen Sanktionen belegt wurden. Zur Umgehung dieser Strafmaßnahmen spielt auch Gold eine große Rolle. Iran hat beispielsweise an die Türkei, an Venezuela und den Libanon Öl gegen Gold verkauft. Und Russland – was auch eine heimliche Aufstockung betreibt – importiert heimlich Gold aus Afrika, wo es Goldminen betreibt.
In dem neuen Staatenbündnis kommt auch Dubai eine große Bedeutung zu. Die Hauptstadt des gleichnamigen Emirats, was etwa so viel wie Fürstentum bedeutet, hat sich über die Jahre zu einem der weltweit wichtigsten Umschlagplätze für Gold entwickelt. Dubai ist eines der sieben Emirate, aus denen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zusammengesetzt sind. Dominic Frisby sagt, dass Goldimporte aus Dubai und der Schweiz nicht weiter deklariert werden. Man wisse, dass von 2000 bis 2022 allein über die Gold- und Silberbörse in Hong Kong (CGSE) 6.700 Tonnen an Gold ins Land gekommen seien. Die Möglichkeiten, den Goldhandel verborgen zu halten, nehmen mit den VAE als Verbündeten zu.
Damit kristallisiert sich heraus, dass China heimlich Gold aufstockt, um die De-Dollarisierung voranzutreiben, sich gegen Sanktionen zu wappnen und um sich für ein zukünftiges Geldsystem auf der Welt vorzubereiten. Es wird offensichtlich beabsichtigt, die eigene Währung mit einer Golddeckung zu stärken und damit den Dollar anzugreifen. Je mehr Gold dazu zur Verfügung steht und je undurchsichtiger die wirklich vorhandenen Vorkommen für andere Staaten sind, desto vorteilhafter ist die Situation aus Sicht Chinas. Jan Nieuwenhuijs schätzt, dass in Chinas Bevölkerung privat etwa 24.000 Tonnen Gold hält. Bei der Stärkung der heimischen Wirtschaft von innen heraus könnte das in Zukunft zudem ein gewichtiger Faktor werden. Hier ist auch eine steigende Nachfrage zu verzeichnen.
Mehr zum Thema Goldreserven in unseren Videos
Auf dem YouTube-Kanals Kettner Edelmetalle finden Sie weitere spannende Videos zu Gold und Silber sowie zu Themen rund um Weltwirtschaft und Geopolitik. In folgendem Video geht Dominik Kettner auf Chinas geheime Goldpolitik ein und erklärt das strategische Denken dahinter.