„Wir müssen zurück zum ehrbaren Kaufmann kommen. Ein solcher haftet für seine Entscheidungen.“ Wolfgang Grupp ist einer der erfolgreichsten deutschen Mittelständler. Seit 53 Jahren führt er in dritter Generation den Textilproduzenten Trigema. Grupp ist ein Unternehmer mit Charakter, einer, der seine fundierte Meinung sagt, auch wenn er damit mal aneckt. Im Interview mit Kettner-Chef Dominik Kettner greift er manch heißes Eisen an und liest dem deutschen Unternehmertum die Leviten.

Einige mittelständische Unternehmen und auch der ein oder andere ganz große Name sind in den vergangenen Monaten gestrauchelt. Hohe Energiekosten, Lockdowns und Facharbeitskräftemangel – für Trigema-Chef Wolfgang Grupp kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Im Gegenteil, der 80-jährige Familienunternehmer bricht noch immer eine Lanze für den Standort Deutschland. Allerdings könne die Politik nicht auf Dauer so weitermachen wie derzeit. Die wichtigen Fragen müssten jetzt geklärt werden, so Grupp im Interview mit Dominik Kettner.

Unternehmer müssen vorsorgen, die Regierung muss handeln

Stichwort Energiekosten: Trigema wird Ende 2022 wohl das Vierfache seiner normalen Ausgaben für Energie verbuchen müssen. „So etwas muss ich als Unternehmer aus meinen Reserven tragen können“, betont Grupp, sagt aber auch, dass die Bundesregierung die Energiepreise wieder in den Griff bekommen müsse. Es könne nicht sein, dass die Bürger frieren und die Unternehmen pleite gehen müssten, damit man mehr und mehr Waffen in die Ukraine schicken könne.

Dem Mittelstand warf Grupp indirekt fehlende Anpassungsfähigkeit vor. „Ich muss jeden Wandel erkennen und mich darauf einstellen”, so Grupp weiter. „Dann ist in Deutschland alles machbar, es ist ein toller Standort.“ Wenn ihm zum Beispiel jemand sage, man könne in Deutschland keine Textilien mehr produzieren, dann sei das falsch. „Wir zeigen ja, dass es geht.“

Der Trigema-Geschäftsführer hat den Wandel in seiner Branche rechtzeitig erkannt. Während nahezu alle Mitbewerber den Preiskampf mitmachten und die Produktion in Billiglohnländer verlagerten, entwickelte Grupp sein Unternehmen fort und suchte sich neue Kunden: „Von den Kaufhaus-Königen wechselte ich zu den SB-Königen, dann zu den Discountern. Sie alle wollten am Ende niedrigere Preise.“ 

Keine Billigware – eigenes Flilanetz aufgebaut

Das konnte und wollte Grupp nicht mitmachen. Eine neue Idee musste her: „Dann habe ich mir gesagt, dass ich in einer bedarfsgedeckten Wirtschaft auch einen Teil der Handelsfunktion in eigene Hände nehmen muss.“ Gesagt, getan. Trigema eröffnete eigene Geschäfte, um die Umsätze in Kaufhäusern zu ersetzen und einen Online-Shop als Ersatz für den ausgefallenen Versandhandel. Heute verkauft das Unternehmen je 40 Prozent online und in 43 eigenen Geschäften sowie 20 Prozent über fremde Läden.

Dass er für so viel unternehmerische Stärke und die Treue zum Standort Deutschland auch noch durch hohe Steuern bestraft wird, ist dem 80-Jährigen ein Dorn im Auge. Wolfgang Grupp versteckt sein mittelständisches Unternehmen nicht hinter einer GmbH, sondern ist als eingetragener Kaufmann (e.K.) unterwegs. “Für jede meiner Entscheidungen bin ich voll haftbar und stehe dafür mit meinem privaten Besitz. Warum muss ich genau so viel Steuern zahlen, wie andere Unternehmer, die nur beschränkt für Ihr Handeln zur Verantwortung gezogen werden können?”, fragt Grupp. Schließlich kosten deren Fehlentscheidungen den Staat sehr viel Geld.

Der Trigema-Chef ist ein Kaufmann der alten Schule, einer mit Weitblick. Mit seinem Unterehmen erwirtschaftet er einen Jahresumsatz von rund 120 Millionen Euro. Er beschäftigt mehr als 1.200 Mitarbeiter. Auch Dominik Kettner ist von dem Vollblutunternehmer mit Rückgrat begeistert: „Er ist ein inspirierender Mensch und ein Vorbild für jeden Unternehmer.“

Dominik Kettners persönliche Top 3 Impulse aus dem Interview mit Wolfgang Grupp:

• Reinvestiere

Investiere möglichst alle Überschüsse zurück ins Unternehmen. In schlechten Zeiten bist du damit in der Lage, die Wettbewerber hinter dir zu lassen. Eine prallgefüllte „Kriegskasse“ ermöglicht es deinem Unternehmen, sichere Arbeitsplätze zu gewährleisten. Viele Unternehmer vergessen in guten Zeiten Rücklagen zu bilden.

• Sei standhaft

Stehe in jeder Marktlage zu 100 Prozent hinter deinen Überzeugungen und Idealen. Der Mainstream verzerrt deine Realität und spaltet unsere Gesellschaft. Wolfgang Grupp ist mit seiner 80-jährigen Lebenserfahrung womöglich nur deshalb zur bekanntesten und schillerndsten deutschen „Unternehmerpersönlichkeit“ einer ganzen Generation geworden, weil er sich selbst treu geblieben ist.

• Sei anders

Es benötigt „andere“ Visionen und Ideale als die deiner Wettbewerber. Nicht nur das extravagante Erscheinungsbild von Herrn Grupp mit dem maßgeschneiderten Herrenanzug, seinem dazu passenden Einstecktuch und seiner perfekt sitzenden Frisur zeigen, wie er das „Anderssein“ lebt. Er wurde oft belächelt, weil er in Zeiten der Internationalisierung noch immer am teuren Wirtschaftsstandort Deutschland produziert, wo es doch deutlich günstiger wäre, in Bangladesh oder in China billige Massenware zu fertigen. Aber genau diese innere Grundhaltung, anders als der Rest zu handeln, sorgt heute für außergewöhnliche Ergebnisse und Erfolge.

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