EU plant Zwang zum Kauf von grünem Stahl: Ein fragwürdiger Schritt?
Die Europäische Union steht erneut im Fokus, da sie plant, den Kauf von grünem Stahl durch öffentliche Behörden und stahlverarbeitende Sektoren zu erzwingen. Dieser Schritt wird von vielen als ein Versuch gesehen, die Dekarbonisierung der europäischen Industrie voranzutreiben. Doch ist dies wirklich der richtige Weg?
Ursula von der Leyens Ambitionen
Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, hat in ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament am 18. Juli angekündigt, innerhalb der ersten 100 Tage ihrer neuen Amtszeit einen „Clean Industrial Deal“ vorzulegen. Ein zentraler Bestandteil dieses Plans ist der sogenannte „Leitmarkt“-Plan, der den Kauf von klimafreundlichen Materialien wie grünem Stahl vorschreiben könnte.
Förderung der Nachfrage statt Subventionen
Bisher konzentrierten sich die Bemühungen der EU auf die Subventionierung klimafreundlicher Produktionsmethoden und die Erhöhung der CO2-Preise durch den EU-Emissionshandel (ETS). Die neuen Leitmärkte sollen jedoch die Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten fördern. Axel Eggert, Generaldirektor des europäischen Stahlherstellerverbandes Eurofer, betonte, dass die Verwendung von Wasserstoff oder erneuerbarem Strom teurer sei als die traditionelle Kohle bei der Stahlherstellung. Unter normalen Marktbedingungen wäre es schwierig, diese Kosten an die Kunden weiterzugeben.
Unterstützung aus Deutschland
Der Plan der „grünen Leitmärkte“ wird bereits von mehreren deutschen Politikern, darunter Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Abgeordnete der CDU/CSU, unterstützt. Auch Gewerkschaften und Umweltschützer befürworten diese Idee. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums erklärte, dass von der Leyens Ankündigung grundsätzlich die richtigen Signale setze.
Ökonomische Perspektiven
Viele Ökonomen sehen in den Leitmärkten eine bessere Alternative zu direkten Subventionen. Klaus Schmidt, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität München, bezeichnete die Leitmärkte als „marktwirtschaftlichere Lösung“. Er fügte hinzu, dass der Staat entweder selbst klimafreundlichen Stahl kaufen oder Stahlverbraucher wie die Bau- oder Automobilindustrie zwingen könnte, einen bestimmten Mindestanteil zu erwerben.
Öffentliche Beschaffung als Schlüssel
Öffentliche Stellen in der EU geben jährlich zwei Billionen Euro für den Kauf von Waren und Dienstleistungen aus. Diese enormen Ausgaben machen 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU aus. Doch bei der Auswahl von Auftragnehmern spielen Umweltaspekte oft eine untergeordnete Rolle. Eggert kritisierte, dass die Mitgliedstaaten sich auf Klimaziele einigen, aber bei der öffentlichen Beschaffung oft das Billigste und Schmutzigste wählen.
Wettbewerb und globale Perspektive
Schmidt betonte, dass internationaler Wettbewerb wichtig sei und dass die Technologie weltweit ausgerollt werden müsse, um die Kosten weiter zu senken. Während die Unterstützung der heimischen Industrie ein Motiv für den politischen Vorstoß sei, warnte er davor, europäischen Stahl gegenüber Importen zu bevorzugen.
Fazit
Die Einführung von Leitmärkten für grünen Stahl könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein, um die Dekarbonisierung voranzutreiben. Doch es bleibt die Frage, ob dieser Zwang der richtige Weg ist oder ob marktwirtschaftlichere Lösungen bevorzugt werden sollten. Die kommenden Monate werden zeigen, wie sich diese Pläne entwickeln und welche Auswirkungen sie auf die europäische Industrie haben werden.