Europa will kritische Rohstoffe wie Lithium und Seltene Erden selbst abbauen
In einer Zeit, in der die Elektromobilität und andere Hightech-Branchen auf dem Vormarsch sind, steht Europa vor der Herausforderung, sich mit essenziellen Rohstoffen wie Lithium und seltenen Erden selbst zu versorgen. Diese Rohstoffe sind unerlässlich für die Herstellung von Akkus und Batterien, die unter anderem in Elektroautos verwendet werden. Der Bergbau in Europa erlebt somit ein Revival, und Unternehmen wie Vulcan Energy sind dabei, innovative Wege zu finden, um diese wertvollen Ressourcen zu gewinnen.
Vulcan Energy und die Nutzung von Salzwasser
Ein Beispiel für die neuen Ansätze im europäischen Bergbau ist Vulcan Energy. Das Unternehmen nutzt heißes Salzwasser aus den Tiefen des Oberrheingrabens, um Strom für 6500 Haushalte zu erzeugen. Zukünftig soll dieses Salzwasser jedoch vor allem dazu dienen, Lithium zu gewinnen. Derzeit stammen knapp die Hälfte des in Deutschland benötigten Lithiums aus Chile und ein Viertel aus China. Mit dem neuen Ansatz von Vulcan Energy könnte sich dies bald ändern.
Die Pilotanlage des Unternehmens hat derzeit eine Kapazität von nur 45 Tonnen pro Jahr. Vulcan Energy verspricht jedoch, bis Ende 2026 rund 24.000 Tonnen pro Jahr verarbeiten zu können. Dies würde ausreichen, um Batterien für etwa 500.000 Elektrofahrzeuge pro Jahr herzustellen. Kürzlich unterzeichnete Vulcan Energy ein Kooperationsabkommen mit dem Schweizer Technologiekonzern ABB und erhielt weitere 40 Millionen Euro Investitionsmittel aus Australien und Deutschland.
Unterstützung aus Brüssel
Um ihre Ziele zu erreichen, setzen Unternehmen wie Vulcan Energy auf Unterstützung aus Brüssel. Kurz vor der Europawahl am 9. Juni trat der Critical Raw Material Act (CRMA) in Kraft. Dieses Gesetz soll sicherstellen, dass Rohstoffe, die für die „grüne Transformation“ benötigt werden, dauerhaft verfügbar sind. Mehr als 80 Rohstoffe, darunter Lithium, Vanadium, Indium und Kobalt, sind als „strategisch wichtig“ eingestuft.
Die Sorge in Brüssel und vielen EU-Hauptstädten ist groß, dass die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise scheitern könnte, wenn Rohstoffe unbezahlbar oder nicht mehr lieferbar sind. Anne Lauenroth, Rohstoffexpertin beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), weist darauf hin, dass China als eines der wichtigsten Lieferländer bereit ist, Exportkontrollen durchzuführen. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine hat zudem gezeigt, wie problematisch Abhängigkeiten werden können.
Ein Umdenken in der Gesellschaft
Die geringe Akzeptanz der Gesellschaft für Bergbauarbeiten war lange ein Hindernis für die Rohstoffgewinnung in Europa. Antje Wittenberg von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) betont, dass die Industrie Rohstoffe in allen denkbaren Anwendungen nutzt, sie aber nicht kostendeckend gewinnen, aufbereiten oder veredeln kann. Der CRMA soll dem entgegenwirken, indem 10 Prozent der benötigten kritischen Rohstoffe in der EU gefördert, 40 Prozent selbst weiterverarbeitet und 25 Prozent rezykliert werden sollen.
Die Zielzahlen für mehr Rohstoffsicherheit gelten für 2030. Unternehmen können sich bis zum 22. August erstmals darum bewerben, dass ihre Rohstoffvorhaben als „strategisches Projekt“ anerkannt werden. Dieser Status verspricht schnellere Genehmigungsverfahren und eine leichtere Finanzierung. Vulcan Energy strebt an, diesen Status zu erhalten.
Eine neue Ära des Bergbaus
Die CRMA könnte eine neue Ära des Bergbaus in Europa einläuten. Bis Mai 2025 muss jedes Mitgliedsland ein „nationales Explorationsprogramm“ für kritische Rohstoffe auflegen. Geologen werden quer durch Europa auf die Suche nach ungehobenen Rohstoffvorkommen gehen. In traditionellen Bergbauregionen wie dem Harz in Norddeutschland könnten zudem Abraumhalden und Abwasserbecken aus früheren Jahrzehnten zu Rohstoffquellen werden.
Anne Lauenroth fordert ein Umdenken weg von der reinen Effizienz hin zur Resilienz. Die Gesellschaft müsse sich fragen, wozu sie bereit ist, um nicht länger fast ausschließlich vom Ausland abhängig zu sein. Wichtig sei auch, dass der Bergbau in Europa mit höheren Umweltstandards erfolge. Minimalinvasive Verfahren könnten zukünftig eine größere Rolle spielen.
Die Rückkehr zum Bergbau wird die Probleme nur teilweise lösen. Ein unerlässlicher Schritt ist die Aufreinigung der Metalle, um sie hochrein zu machen. Für seltene Erden gibt es in Europa nur eine geeignete Anlage in Estland. Anne Lauenroth hält es für eine „Herkulesaufgabe“, die Aufreinigung zu reaktivieren oder neu aufzubauen. Firmen sollten sich zu Abnehmergemeinschaften zusammentun, damit sich entsprechende Investitionen lohnten.
Für den dritten Schritt der europäischen Rohstoffinitiative, das Recycling, sind ebenfalls neue Anlagen nötig. Bis 2030 quer durch alle Sektoren zu einem Recyclinganteil von 25 Prozent zu gelangen, ist das wohl anspruchsvollste Ziel der CRMA.
Alessandra Hool, Geschäftsführerin des Entwicklungsfonds Seltene Metalle, attestiert dem neuen EU-Gesetz eine „starke Signalwirkung“. Erstmals werde eine „unmittelbare Verbindung“ von den Rohstoffen zu den strategischen Bereichen Dekarbonisierung, Digitalisierung, Verteidigung und Raumfahrt offiziell verankert.
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