EZB vor Zinssenkung: Weichenstellung für die Eurozone erwartet
Zwei Tage vor der entscheidenden Sitzung des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main verdichten sich die Anzeichen für eine bevorstehende Senkung der Leitzinsen in der Eurozone. Analysten und führende Finanzinstitute wie Vanguard und Goldman Sachs gehen übereinstimmend davon aus, dass die EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine Senkung um 25 Basispunkte verkünden wird.
Fondsgesellschaften und Banken erwarten Zinssenkung der EZB
Vanguard-Ökonom Shaan Raithatha erklärte in einem Interview, dass die EZB am Donnerstag die Zinsen senken werde, wie es die Finanzmärkte erwarten. Auch Goldman Sachs hat diese Einschätzung bestätigt. Finanznachrichtenplattformen wie „Bloomberg“ und „Business Insider“ gehen ebenfalls von einer Leitzinssenkung um 0,25 Prozentpunkte aus. Bereits im Juni hatte die EZB einen ähnlichen Schritt unternommen, nachdem die Zinsen zwischen Juli 2022 und September 2023 von 0,5 auf 4,5 Prozent gestiegen waren.
USA: Fed könnte noch deutlicher reagieren
In den USA wird erwartet, dass die Federal Reserve (Fed) am 18. September eine noch deutlichere Zinssenkung um 50 Basispunkte vornehmen könnte. Michael Krautzberger, Global CIO Fixed Income bei AllianzGI, begründet diese Erwartung mit konjunkturellen Sorgen, nachdem zwei Arbeitsmarktberichte schlechter ausgefallen waren als erhofft. Dies hatte zu einer kurzfristigen Korrektur an den Weltbörsen geführt, was den Druck auf die Notenbanken erhöht, die Konjunktur nicht durch ein hohes Zinsniveau weiter auszubremsen.
Inflation nähert sich Zwei-Prozent-Ziel an
Die Inflation in der Eurozone hat sich mittlerweile beruhigt und bewegt sich stabil im Zwei-Prozent-Bereich. Im Juni 2024 lag sie bei 2,5 Prozent, während sie im Oktober 2022 noch bei 10,6 Prozent lag. Analyst Krautzberger hält die derzeitigen Zinssätze daher für zu restriktiv und geht von einer Bewegung in Richtung einer neutralen Höhe von zwei Prozent aus.
Bundesbank-Chef optimistisch
Auch Bundesbank-Chef Joachim Nagel zeigt sich optimistisch und geht davon aus, dass die schlimmsten Phasen der Inflation überstanden sind. Er rechnet nicht mit einer Rückkehr der hohen Inflationsraten der vergangenen Jahre, sofern keine unerwarteten Ereignisse wie der Ukrainekrieg eintreten.
Liquidität und Refinanzierung im Fokus der EZB
Stefan Jäger von der „Finanzmarktwelt“ sieht in der mutmaßlichen Zinssenkung der EZB nur eine Feinjustierung. Die EZB wolle den Einlagensatz von derzeit 3,75 Prozent, den Hauptrefinanzierungssatz von 4,25 Prozent und den Spitzenrefinanzierungssatz für Notfälle von 4,5 Prozent besser aufeinander abstimmen. Ziel sei es, dem System überflüssige Liquidität zu entziehen, um einer möglichen Rückkehr der Teuerung entgegenzuwirken.
Abbau der Bilanzsumme angestrebt
Langfristig plant die EZB, ihre Bilanzsumme zu senken und umfangreiche Anleihebestände sowie langfristige Kredite abzubauen. Seit 2015 hat die EZB durch großangelegte Anleihekäufe über Liquidität im Überfluss verfügt. Bereits seit einiger Zeit reinvestiert die EZB Erlöse aus fälligen Anleihen nicht mehr. Die Hoffnung auf ein Ende der Krisenjahre veranlasst die Notenbanker dazu, Liquidität abzubauen.
Kreditmärkte und die Rolle der Banken
Die zu erwartenden Zinssenkungen könnten die Kreditmärkte tendenziell wieder nach unten drücken. Derzeit ist der Überschuss an Liquidität mit mehr als drei Billionen Euro noch deutlich höher als vor der Corona-Pandemie. Eine Senkung der Zinsen könnte die Kreditvergabe beleben und die Märkte volatiler machen. Es bleibt abzuwarten, wie schnell sich diese Entwicklungen auf das Kreditwesen insgesamt auswirken werden.
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