Französischer Kolumnist: „Wir erleben einen Zusammenbruch des politischen Systems“
Die jüngsten Parlamentswahlen in Frankreich haben zu einem politischen Erdbeben geführt. Entgegen aller Erwartungen hat die linke Neue Volksfront (NFP) den ersten Platz belegt, während das Lager von Präsident Emmanuel Macron auf dem zweiten Platz landete. Diese Entwicklung wirft zahlreiche Fragen auf, wie es nun politisch weitergehen soll und welche Konsequenzen dies für die Zukunft Frankreichs haben könnte.
Ein überraschendes Wahlergebnis
Patrick Edery, Leiter der europäischen Strategieberatungsfirma Partenaire Europe, analysiert die Situation und spricht von einem „Zusammenbruch des politischen Systems der Fünften Republik“. Die Franzosen hätten im ersten Wahlgang gegen die Einwanderung und im zweiten gegen den Rassemblement National (RN) gestimmt. Diese beiden Fakten seien entscheidend für das Verständnis der aktuellen politischen Lage in Frankreich.
Fehler des Rassemblement National
Für Edery hat der RN, die Partei von Marine Le Pen und Jordan Bardella, mehrere Fehler begangen. Insbesondere der Vorschlag, Franzosen mit doppelter Staatsbürgerschaft von bestimmten öffentlichen Ämtern auszuschließen, habe der Partei Stimmen gekostet. Zudem habe der RN nicht angemessen auf Angriffe gegen ihre Kandidaten reagiert. Diese Fehler hätten dazu geführt, dass die Partei trotz eines Zugewinns von fünfzig Abgeordneten keine relative oder absolute Mehrheit erreichen konnte.
Die Rolle der Neuen Volksfront
Die NFP, die rund 187 Sitze im Parlament erlangen dürfte, hat sich durch einen Vertrag mit ihren Wählern formiert, der zahlreiche Versprechen in Sachen Kaufkraft und Umweltschutz beinhaltet. Allerdings führte dies zu einem Missverständnis, da zentristische und rechte Wähler im zweiten Wahlgang für die Linke stimmten, ohne deren Programm zu unterstützen. Dies hat das politische System der Fünften Republik ins Wanken gebracht.
Ein demokratisches Dilemma
Ein weiteres Problem sieht Edery in der möglichen Zusammenarbeit der NFP mit Macrons Partei Ensemble oder den konservativen Republikanern (LR). Diese Zusammenarbeit würde jedoch den RN und damit faktisch 40 Prozent der Franzosen ausschließen, was ein demokratisches Problem darstellt. Die verbleibenden Parteien, die nichts miteinander zu tun haben, wären gezwungen, eine Vereinbarung zu treffen.
Die Zukunft der Regierung
Die Frage, welche Art von Regierung ohne absolute Mehrheit ernannt wird, bleibt offen. Édouard Philippe, Macrons ehemaliger Premierminister, forderte die Schaffung eines Abkommens zwischen den „Zentralkräften“ ohne RN und LFI. Dies könnte zu einem Kampf innerhalb der Sozialistischen Partei führen, da einige Mitglieder dem Präsidentenlager beitreten wollen, andere jedoch nicht.
Ein neuer Premierminister?
Die Ernennung eines neuen Premierministers wird ebenfalls kompliziert. Sollte ein Sozialist berufen werden, würden die Insoumis ihm nicht folgen und umgekehrt. Es bleibt abzuwarten, wie viele „gemäßigte“ Abgeordnete Emmanuel Macron folgen würden. Sollte dies nicht ausreichen, könnte er gezwungen sein, eine Regierung aus der NFP zu ernennen.
Ein Übergang zur Sechsten Republik?
Der Institutionenhistoriker Phillippe Fabry hat bereits lange über den Übergang zur Sechsten Republik gesprochen. Angesichts der aktuellen politischen Turbulenzen könnte dies eine notwendige Entwicklung sein. Eine verfassungsgebende Versammlung und die Gründung einer neuen Republik könnten die einzige Lösung sein, um das politische System Frankreichs zu stabilisieren.
Das Interview mit Patrick Edery ist im Original in der französischen Epoch Times erschienen.