Massive Proteste ultraorthodoxer Juden gegen Wehrdienst in Israel
In Jerusalem haben Zehntausende ultraorthodoxe Juden teils gewaltsam gegen ein Gerichtsurteil demonstriert, das auch sie zum Wehrdienst verpflichtet. Diese Proteste könnten die Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu gefährden.
Gewaltsame Auseinandersetzungen in Jerusalem
Tausende ultraorthodoxe Juden protestierten in Israel gegen die vom Obersten Gericht verfügte Teilnahme am Wehrdienst. Die Demonstrationen eskalierten in Straßenschlachten mit der Polizei. Zunächst fanden die Proteste in einem ultraorthodoxen Viertel der Hauptstadt Jerusalem statt. Nach Einbruch der Dunkelheit zog die Menge in Richtung Zentrum.
Nach Angaben der Polizei warf die Menge Steine und demolierte das Auto eines ultraorthodoxen Regierungsmitglieds. Die Polizei versuchte, die Menge mit Wasserwerfern und berittenen Beamten zu zerstreuen. Mehrere Polizisten seien verletzt, fünf Randalierer festgenommen worden, berichtete die Zeitung Times of Israel in der Nacht.
Religiöse Studien statt Wehrdienst
Der Militärdienst ist für die meisten Männer und Frauen in Israel obligatorisch. Politisch einflussreiche ultraorthodoxe Parteien haben jedoch erreicht, dass ihre Anhänger vom Wehrdienst ausgenommen werden und sich stattdessen religiösen Studien widmen können. Für säkulare Juden ist das schon seit Jahrzehnten ein Ärgernis.
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Beginn des Krieges im Gazastreifen, für den Zehntausende Israelis eingezogen wurden, hat dieser Unmut noch einmal deutlich zugenommen. Mehr als 600 israelische Soldaten wurden im Verlauf des Krieges getötet. Zehntausende Reservisten sind eingezogen worden, was Karrieren unterbrach und Geschäftspläne über den Haufen warf.
Urteil könnte Koalition kippen
In der vergangenen Woche entschied das Oberste Gericht, dass die Streitkräfte des Landes künftig auch ultraorthodoxe Juden zum Militärdienst einziehen müssen. Ultraorthodoxe Parteien und ihre Anhänger warnten, der Zwang zum Armeedienst werde ihre seit Generationen gewohnte Lebensweise zerstören. Das Gerichtsurteil hat das Potenzial, die wackelige Regierungskoalition von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu auseinanderbrechen zu lassen. Denn die einflussreichen ultraorthodoxen Parteien, die Teil des Bündnisses sind, lehnen jedwede Änderung der bisherigen Regelung ab.
Sollte Premier Netanyahu ihnen nachgeben, dürfte er international isolierter dastehen. Dies könnte die ohnehin angespannte politische Lage in Israel weiter verschärfen und die Stabilität des Landes gefährden.
Historischer Kontext und politische Implikationen
Die Diskussion um die Wehrpflicht für ultraorthodoxe Juden ist in Israel nicht neu. Seit der Gründung des Staates Israel 1948 gibt es Spannungen zwischen säkularen und religiösen Gruppen über die Rolle des Militärdienstes. Die ultraorthodoxen Parteien haben stets darauf bestanden, dass ihre Anhänger von der Wehrpflicht befreit bleiben, um sich auf religiöse Studien konzentrieren zu können.
Diese Sonderregelung wurde von säkularen Israelis oft als ungerecht empfunden, da sie die Last des Militärdienstes ungleich verteilt. Die jüngsten Proteste und das Gerichtsurteil könnten nun als Katalysator für tiefgreifende Veränderungen in der israelischen Gesellschaft dienen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die politische Landschaft in Israel weiterentwickeln wird. Eines jedoch ist sicher: Die Frage der Wehrpflicht für ultraorthodoxe Juden wird das Land noch lange beschäftigen.