Orbán: Das neue Gesicht der EU
Seit dem 30. Juni sorgt Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán in Brüssel für Aufsehen. Mit einer Serie von überraschenden politischen Manövern nutzt er die turnusmäßige Ratspräsidentschaft seines Landes, um die Eurokraten aufzurütteln und eine kraftvolle Politik zu demonstrieren. Orbán scheint dabei die Ahnungslosigkeit der etablierten Politiker und Medien geschickt auszunutzen.
Gründung der "Patriots for Europe"
Der erste Paukenschlag kam am 30. Juni, als Orbán zusammen mit Österreichs FPÖ-Chef Herbert Kickl und dem tschechischen ANO-Chef Andrej Babiš die Gründung einer neuen europäischen Parteienfamilie, "Patriots for Europe" (PfE), verkündete. Diese Ankündigung sorgte für einen Aufschrei in den sozialen und traditionellen Medien. Viele Kommentatoren hielten dies für lächerlich und zum Scheitern verurteilt. Doch Orbán bewies das Gegenteil, als die spanische Vox-Partei, ein Mitglied der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), nur fünf Tage später ihren Beitritt zu den PfE erklärte.
Orbáns diplomatische Offensive
Am 1. Juli übernahm Orbán die EU-Ratspräsidentschaft und nutzte dieses weitgehend repräsentative Amt, um eigene Akzente zu setzen. Bereits am 2. Juli reiste er nach Kiew, um mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sprechen. Trotz des Hohns und Spottes der Medien brachte Orbán aus dem dreistündigen Gespräch konkrete Ergebnisse mit: Selenskyj stimmte zu, ein Grundlagendokument für die bilateralen Beziehungen auszuarbeiten, das umfassende Rechte für die ungarische Minderheit in der Ukraine festschreibt.
Nur wenige Tage später, am 5. Juli, reiste Orbán nach Moskau, um mit Russlands Präsident Wladimir Putin zu verhandeln. Diese Reise sorgte für heftige Reaktionen in Europa. Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kritisierten Orbán scharf. Dennoch hielt Orbán an seiner Linie fest und betonte, dass er als Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft und als Partner Putins gekommen sei, um über bilaterale Wirtschaftsbeziehungen und den Frieden zu sprechen.
Orbáns Friedensmission
Orbán erklärte, dass er in Kiew die Grenzen für die inhaltlichen Parameter einer Beendigung des Krieges erfahren wollte und diese Informationen an Putin weitergegeben habe. Er stellte Putin drei Fragen: Wie er die bisherigen Friedenspläne und Verhandlungsformate bewerte, wie er die Reihenfolge eines Waffenstillstands und Friedensverhandlungen sehe und wie er sich die europäische Sicherheitsarchitektur nach dem Krieg vorstelle. Putin wich nicht von seinen maximalen Forderungen ab, genau wie Selenskyj drei Tage zuvor.
Die Zukunft der "Patriots for Europe"
Orbáns Serie von Überraschungen hat ihn zu einer der sichtbarsten Figuren der EU gemacht. Seine neue Parteienfamilie, die "Patriots for Europe", wird sich am kommenden Montag konstituieren und voraussichtlich eine strukturierte Zusammenarbeit mit der EKR vereinbaren. Dieser neue Block könnte erheblichen Einfluss auf die EU-Politik haben.
Orbán hat es geschafft, sich im Guerilla-Stil eine Rolle zu schnappen, die eigentlich dem EU-Außenbeauftragten zusteht. Mit den Informationen, die er aus Moskau mitbringt, wird man in Brüssel widerwillig, aber doch arbeiten müssen. Orbán ist jetzt das wahrnehmbarste Gesicht der EU und zeigt, wie man kraftvolle Politik macht.
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