Türkei strebt Brics-Mitgliedschaft an: Enttäuschung über EU-Politik
Die Türkei intensiviert ihre Gespräche mit der Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), nachdem die Verhandlungen mit der Europäischen Union ins Stocken geraten sind. Der türkische Außenminister Hakan Fidan erklärte am Montagabend in einem Interview mit dem Fernsehsender Haberturk, dass die EU nicht den Willen gezeigt habe, einen Schritt nach vorne zu machen. „Wenn die EU den Willen hätte, einen Schritt nach vorne zu machen, könnte unsere Sichtweise zu bestimmten Themen anders sein“, so Fidan.
Frustration über die EU
Die türkische Regierung hat seit Jahren versucht, den Beitrittsprozess zur EU wiederzubeleben. Wirtschaftlich ist der europäische Kontinent von großer Bedeutung, da die EU der größte Handelspartner der Türkei ist. Dennoch hält Brüssel Ankara an der langen Leine. Trotz einer bestehenden Zollunion ist eine Vollmitgliedschaft der Türkei in weiter Ferne. Gleichzeitig wird instabileren Staaten wie der Ukraine und Moldau ein Beitritt in Aussicht gestellt. Diese Ungleichbehandlung sorgt für Frustration in Ankara.
EU mangelt es an Führungsstärke
Der türkische Finanzminister Mehmet Simsek betonte im Mai bei einer Diskussionsveranstaltung des EU-Thinktanks Breugel, dass die Türkei wieder in der Europäischen Union verankert werden sollte. „Aber ich denke, das größte Problem ist, dass es Europa – und hier werde ich deutlich – an Führungsstärke und einer strategischen Perspektive für die Türkei mangelt“, so Simsek.
Wendung zu neuen Bündnissen
Angesichts der mangelnden Fortschritte in den Verhandlungen mit der EU, wendet sich die Türkei nun anderen Bündnissen zu. „Es gibt ein militärisches Bündnis innerhalb der Nato, aber ein wirtschaftliches Bündnis ist nicht zustande gekommen“, kritisierte Außenminister Fidan die EU. „Deshalb haben wir mit der Suche begonnen.“
Brics als attraktive Alternative
Die Türkei ist seit langem Mitglied der Nato und Teil des europäischen Verteidigungssystems. Seit Beginn der Beitrittsverhandlungen im Jahr 2005 hat sie jedoch keine Fortschritte bei den Verhandlungen mit der EU erzielt. Fidan hob hervor, dass die Brics-Staaten ein Kreditsystem etablieren und den Handel untereinander zunehmend in lokalen Währungen abwickeln wollen. Die türkische Regierung befürworte diese Schritte. Das Schöne und Besondere an Brics sei im Vergleich zur EU, dass es alle Zivilisationen umfasse, sagte Fidan. „Wenn das ein wenig institutioneller werden kann, wird das erhebliche Vorteile bringen.“
Strategisches Kalkül Ankaras
Die Annäherung der Türkei zur Brics-Gruppe kann auch als Poker mit dem Westen gesehen werden. Ankara dürfte durch den intensiven Flirt mit Moskau und Peking versuchen, den Beitrittsprozess mit der EU wiederzubeleben. Außerdem zielt Ankara wohl darauf ab, seine Stellung innerhalb der Nato zu stärken. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat bereits Interesse an einem Beitritt zur Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOC) bekundet, die von Russland und China als Gegenstück zur Nato gegründet wurde. Bei einem Beitritt der Türkei zur SOC würden in Washington, Berlin und Brüssel die Alarmglocken schlagen. Erdogan hat sein Erscheinen beim SOC-Gipfel nächste Woche in Kasachstan angekündigt.
Es bleibt abzuwarten, wie die EU und die Nato auf die strategischen Manöver Ankaras reagieren werden. Klar ist jedoch, dass die Türkei nicht länger bereit ist, auf eine ungewisse Zukunft in der EU zu warten und stattdessen aktiv nach Alternativen sucht, die ihren nationalen Interessen besser entsprechen.
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