TurkStream statt LNG: Gazprom überschwemmt Südeuropa mit Pipeline-Gas
Griechenland hat überraschend seine ambitionierten Pläne für den Ausbau von LNG-Terminals gestoppt und setzt stattdessen wieder verstärkt auf russisches Pipeline-Gas. Diese Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Energiepolitik in Südeuropa und lässt die Türkei als neuen Profiteur hervortreten.
Griechenland setzt auf russisches Pipeline-Gas
Die EU hat das Ziel, bis zum Jahr 2027 ihre Abhängigkeit von russischem Gas zu beenden. Tatsächlich ist der Anteil von russischem Pipeline-Gas an den Gasimporten der EU von 40 Prozent im Jahr 2021 auf acht Prozent im Jahr 2023 gefallen. Doch nun gibt es Hinweise, dass sich dieser Trend nicht fortsetzt. Einige EU-Länder, wie beispielsweise Griechenland, importieren sogar wieder mehr russisches Pipeline-Gas. Pläne für zusätzliche LNG-Terminals werden stattdessen auf Eis gelegt.
Steigende Gasimporte aus Russland
Griechische Gasimporte stammen aktuell zu rund 60 Prozent aus Russland, wie das Handelsblatt berichtet. Im Jahr 2022 lag dieser Wert nur bei 14 Prozent. Damit ist das Land nicht allein – auch in Österreich stieg der russische Anteil an den Gasimporten von 87 Prozent auf 91 Prozent. Ungarn schloss 2023 neue Lieferverträge mit dem russischen Gaskonzern Gazprom ab.
Im vergangenen Jahr hatte Griechenland noch andere Pläne. Fünf neue LNG-Terminals waren geplant, die das Land zu einem der wichtigsten Umschlagplätze für Flüssigerdgas in der Region machen sollten. Bis in die Ukraine wollte man LNG liefern. Jetzt macht die griechische Regierung jedoch einen Rückzieher. „Unsere LNG-Kapazitäten sind mehr als ausreichend“, zitiert das Handelsblatt den griechischen Umwelt- und Energieminister Theodoros Skylakakis. Die Zukunft der LNG-Projekte ist nun unklar.
EU kauft weniger LNG – und wieder mehr russisches Pipeline-Gas
Daten der Denkfabrik Bruegel zeigen, dass die Gasimporte der EU aus Russland steigen. In der ersten Juliwoche 2024 lagen sie bei 648 Millionen Kubikmeter, im Jahr 2023 waren es im gleichen Zeitraum nur 562 Millionen Kubikmeter. Besonders über Pipelines in der Ukraine sowie in der Türkei wurde mehr russisches Gas importiert. Die türkische Pipeline TurkStream leitete beispielsweise in der ersten Juliwoche 344 Millionen Kubikmeter Gas Richtung EU, im Jahr davor waren es nur 298 Millionen Kubikmeter, eine Zunahme von rund 15 Prozent.
Das lässt die Nachfrage in der EU nach Flüssigerdgas einbrechen, denn Pipeline-Gas ist grundsätzlich deutlich günstiger. Bei Gesamtexporten nach Europa (Pipeline-Gas und LNG) hat Russland deswegen die USA als zweitwichtigsten Gaslieferanten der EU wieder überholt. Für die EU bleibt es also eine Herausforderung, bis 2027 von russischem Gas unabhängig zu werden. Insgesamt 14 Sanktionspakete hat die EU mittlerweile gegen Russland erlassen – russisches Pipeline-Gas ist von den Sanktionen bisher aber nicht betroffen. Auch russisches LNG wurde bisher nur indirekt sanktioniert. Lediglich die Umladung für den Weiterverkauf in Drittländer über einen europäischen Hafen ist verboten.
Politische und wirtschaftliche Implikationen
Die Entscheidung Griechenlands, wieder vermehrt auf russisches Pipeline-Gas zu setzen, könnte weitreichende politische und wirtschaftliche Implikationen haben. Kritiker könnten argumentieren, dass dies die Abhängigkeit von Russland weiter verstärkt und die EU-Ziele zur Diversifizierung der Energiequellen untergräbt. Auf der anderen Seite könnte man argumentieren, dass wirtschaftliche Realitäten und die Notwendigkeit einer sicheren Energieversorgung Vorrang haben sollten.
Für die Türkei bedeutet die verstärkte Nutzung der TurkStream-Pipeline eine strategische Stärkung ihrer Position als Energiedrehscheibe zwischen Europa und Asien. Dies könnte langfristig zu einer stärkeren politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Türkei und den EU-Ländern führen.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Energiepolitik in Südeuropa weiterentwickeln wird und welche Rolle Russland und die Türkei dabei spielen werden. Klar ist jedoch, dass die aktuellen Entwicklungen die geopolitischen Spannungen in der Region weiter anheizen könnten.
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