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21.06.2024
18:21 Uhr

Droht ein Präventivkrieg? Die NATO und Russland am Rande einer Eskalation

Droht ein Präventivkrieg? Die NATO und Russland am Rande einer Eskalation

Die zunehmende Verbitterung der westlichen Länder über Russland lässt sich in der Logik eines Präventivkriegs erklären. Dieses Modell betrachtet die Eskalation als Produkt von Zukunftsängsten. In der Geschichte wurden große Kriege in der Regel zum Produkt genau dieser präventiven Logik.

Historische Parallelen und aktuelle Entwicklungen

Die Frage nach einem großen Krieg in Europa stellt sich heute dringlicher als je zuvor seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Westliche Analytiker diskutieren über unterschiedliche Szenarien eines potenziellen Konflikts, während offizielle Persönlichkeiten sogar offen über seine Wahrscheinlichkeit spekulieren und selbst konkrete Zeithorizonte besprechen.

In seinem jüngsten Auftritt stellte Russlands Präsident Wladimir Putin fest, die Aktionen der westlichen Regierungen hätten die Welt zu einem "Punkt ohne Wiederkehr" gebracht. Dabei überwiegt bei Diskussionen innerhalb Russlands der Glaube, dass den USA und ihren Verbündeten die katastrophalen Risiken einer direkten militärischen Konfrontation mit Russland bewusst seien und dass sie, dem Selbsterhaltungstrieb folgend, versuchen würden, ihn zu vermeiden.

Die Logik des Präventivkriegs

Solche Urteile stützen sich auf die Prämisse, dass sich der Westen trotz seiner Aggressivität und Überheblichkeit in seiner Politik von einer rationalen Abwägung von Vor- und Nachteilen leiten lässt. Dabei spricht die Erfahrung der Vergangenheit nicht für die Fähigkeit der USA und ihrer Verbündeten, einen ausgewogenen, kalkulierten politischen Kurs zu verfolgen.

Im Verlauf der 2000er und 2010er Jahre verstrickten sie sich mehrmals in militärische Abenteuer, aus denen sie anschließend qualvoll nach einem Ausstieg suchten. Man erinnere sich nur an die Beispiele der Interventionen in Afghanistan, Irak und Libyen. Natürlich blieben in all diesen Fällen die Risiken für den Westen bedeutend geringer als im Fall eines hypothetischen Krieges mit Russland. Doch auf dem Spiel stand ebenfalls viel weniger.

Die Domino-Theorie und westliche Eskalationsstrategien

Bezeichnend ist das jüngste Geständnis des US-Präsidenten Joe Biden: "Sollten wir jemals zulassen, dass die Ukraine eine Niederlage erleidet, merken Sie sich meine Worte: Sie werden sehen, wie Polen weggeht, und Sie werden sehen, wie all die Länder entlang der faktischen Grenze Russlands selbstständig verhandeln werden." Es lässt sich feststellen: In den Köpfen der westlichen Strategen nistete sich wieder die gute alte "Domino-Theorie" ein.

Die zunehmende Abenteuerlichkeit ist in den Debatten um eine Stationierung westlicher Truppen in der Ukraine gut zu sehen. Zu diesem Thema äußern sich inzwischen nicht nur hysterische europäische Staatsführer, sondern auch scheinbar besonnene US-Generäle. So zog der Generalstabschef des US-Militärs Charles Brown den Schluss, dass die Entsendung von NATO-Truppen ins Land eine unvermeidliche Perspektive sei.

Die inkonsequente Sichtweise des Westens

Die Bereitschaft der westlichen Länder, Risiken einzugehen, wird durch ihre widersprüchliche, um nicht zu sagen schizophrene, Sicht auf Russland gestützt. Sie werden nicht müde, zu wiederholen, dass Moskaus Potenzial zuvor stark überschätzt und durch die spezielle Militäroperation zusätzlich geschwächt worden sei. Ohne jegliches Bewusstsein eines Widerspruchs begründen sie dabei die eigene Aufrüstung mit der zugenommenen russischen Bedrohung.

Die Inkonsequenz zeigt sich auch in der Darstellung Russlands als eines unersättlichen Expansionisten, der nach einer Eroberung der Nachbarn strebt, beim gleichzeitigen Glauben an Moskaus Ehrfurcht vor dem Artikel 5 des Washingtoner Abkommens, der den Mitgliedsstaaten der NATO den gegenseitigen Beistand im Fall eines Angriffs auf einen von ihnen garantiert.

Die NATO und ihre militärischen Vorbereitungen

Auf praktischer Ebene bereiten sich die NATO-Mitgliedsstaaten aktiv auf eine militärische Konfrontation mit Russland vor. Das neue Modell der Allianztruppen, das noch auf dem Gipfel von Madrid 2022 festgelegt wurde, und die auf seiner Grundlage vorbereiteten regionalen Pläne setzen voraus, dass zusätzlich zu den bereits an Russlands Grenzen stationierten Truppen ein beträchtlicher Truppenverband in der Stärke von 300.000 Mann innerhalb von 30 Tagen aufgestellt wird.

Besonders tut sich dabei Polen hervor, das den gleichen Status des Hauptbollwerks der NATO beansprucht, den in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Bundeswehr innehatte. Die Aufstockung des Militärs auf 300.000 Mann soll Polens Streitkräfte in die größte Landarmee unter den europäischen Mitgliedern der Allianz verwandeln.

Die NATO-Mitglieder üben offen Szenarien von Kampfhandlungen an potenziellen Kriegsschauplätzen in Ost- und Nordeuropa. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Verinnerlichung von Lektionen aus den bewaffneten Kämpfen in der Ukraine gelegt. Dazu wird im polnischen Bydgoszcz ein spezielles Zentrum geschaffen, das einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch zwischen westlichen und ukrainischen Militärs gewährleisten soll.

Fazit: Ein drohender Präventivkrieg?

Die Bereitschaft der westlichen Länder, Risiken einzugehen, und ihre widersprüchliche Sicht auf Russland könnten die Welt an den Rand einer direkten militärischen Konfrontation bringen. Die Frage, ob die NATO Russland angreifen wird, bleibt offen, doch die Zeichen einer Eskalation sind unübersehbar. Die kommenden Monate werden zeigen, ob der Westen weiterhin auf Eskalation setzt oder ob es doch noch einen Weg zur Deeskalation geben wird.

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