
EZB senkt Leitzins: Vorsichtiger Optimismus oder gefährliches Spiel mit dem Feuer?
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern einen weiteren Schritt in Richtung geldpolitischer Lockerung unternommen und den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent gesenkt. Dies sei bereits die sechste Zinssenkung seit Beginn des Lockerungszyklus im vergangenen Juni, als der Leitzins noch bei einem Rekordhoch von 4 Prozent lag.
Lagarde's zweifelhafte Gratwanderung
EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die für ihre oft undurchsichtige Kommunikationsstrategie bekannt ist, deutete an, dass die Geldpolitik nun "deutlich weniger restriktiv" werde. Eine Formulierung, die aufhorchen lässt und die bisherige Aussage "die Geldpolitik bleibt restriktiv" ersetzt. Diese subtile, aber bedeutsame Änderung könnte als Hinweis auf eine mögliche Verlangsamung oder gar Pause im Zinssenkungszyklus gedeutet werden.
Märkte reagieren skeptisch
Die Finanzmärkte zeigten sich von der neuen Tonlage wenig begeistert. Während eine weitere Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte in diesem Jahr noch als sicher gilt, sank die Wahrscheinlichkeit für eine zweite Senkung von 85 auf etwa 65 Prozent. Der Euro legte gegenüber dem Dollar um 0,4 Prozent zu und notierte bei 1,083 Dollar.
Inflation: Der Teufel im Detail
Die Inflation ist zwar von ihrem Höchststand von 10,6 Prozent im Oktober 2022 auf aktuell 2,4 Prozent gefallen. Doch die EZB hat ihre Inflationsprognose für das laufende Jahr von 2,1 auf 2,3 Prozent nach oben korrigiert - ein deutliches Warnsignal. Steigende Energiepreise und die anhaltenden geopolitischen Spannungen könnten den Preisauftrieb wieder beschleunigen.
Deutsche Schuldenpolitik als Brandbeschleuniger?
Besondere Brisanz erhält die Zinsentscheidung durch die Pläne des designierten deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz. Seine Ankündigung, Hunderte Milliarden Euro für Verteidigungsausgaben und Infrastruktur bereitzustellen, könnte das deutsche Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr verdoppeln. Doch diese schuldenfinanzierte Expansion birgt erhebliche Risiken für die Preisstabilität im Euroraum.
Düstere Wirtschaftsaussichten
Die EZB hat ihre Wachstumsprognose für 2025 erneut nach unten korrigiert - bereits zum sechsten Mal in Folge. Mit einem erwarteten BIP-Wachstum von nur 0,9 Prozent statt der bisher prognostizierten 1,1 Prozent zeichnet sich ein düsteres Bild. Die hohe Unsicherheit im In- und Ausland bremst Investitionen, während Wettbewerbsprobleme die Exporte belasten.
Die aktuelle Zinsentscheidung der EZB gleicht einem Balanceakt zwischen Inflationsbekämpfung und Wachstumsförderung. Ob dieser gelingen wird, bleibt angesichts der vielfältigen Herausforderungen mehr als fraglich. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Strategie der vorsichtigen Zinssenkungen aufgeht oder ob die EZB damit nur wertvolle Zeit im Kampf gegen die wirtschaftlichen Probleme der Eurozone verliert.

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