Fed vor entscheidender Zinssenkung: Märkte in gespannter Erwartung
Die neue Woche steht ganz im Zeichen der Geldpolitik. Von Tokio bis Washington werden zahlreiche Zentralbanken über die Zinsen entscheiden, wobei das Hauptaugenmerk auf der US-Notenbank liegt. Selten herrschte so große Ungewissheit darüber, wie die Fed den Lockerungszyklus einleiten wird. Die Märkte sind genau 50:50 geteilt, was die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung um 25 bzw. 50 Basispunkte angeht.
Eine 36-stündige Zins-Achterbahn
Die tektonischen Platten der Weltwirtschaft werden sich diese Woche verschieben, wenn in den USA ein Lockerungszyklus beginnt. Zentralbanker von Europa bis Asien legen vor dem Hintergrund brüchiger Märkte ihre Geldpolitik fest. Eine 36-stündige geldpolitische Achterbahnfahrt beginnt mit der wahrscheinlichen Entscheidung der Federal Reserve, die Zinsen am Mittwoch zu senken, und endet am Freitag mit dem Ergebnis der ersten Sitzung der Bank of Japan seit ihrer Anhebung der Kreditkosten.
Zinsentscheidungen der Zentralbanken in dieser Woche
Zu den Zentralbanken der Gruppe der 20 (G20) und darüber hinaus, die ihre geldpolitischen Hebel anpassen werden, gehören Brasilien, wo Beamte zum ersten Mal seit dreieinhalb Jahren eine Straffung vornehmen könnten, und die Bank of England. Die britische Zentralbank steht vor einer heiklen Entscheidung über das Tempo ihrer Bilanzreduzierung und könnte auch signalisieren, inwieweit sie zu einer weiteren Lockerung bereit ist.
Es wird erwartet, dass die südafrikanischen Notenbanker die Zinsen zum ersten Mal seit 2020 senken werden, während ihre Amtskollegen in Norwegen und der Türkei sie möglicherweise unverändert lassen. Die Entscheidung der Fed wird jedoch im Mittelpunkt stehen. Nervöse Händler debattieren weiterhin darüber, ob die Währungshüter eine Senkung der Zinsen um einen Viertelpunkt als angemessene Medizin für eine Wirtschaft ansehen, die Anzeichen einer nachlassenden Dynamik zeigt, oder ob sie sich stattdessen für einen Schritt um einen halben Prozentpunkt entscheiden werden.
Fed senkt die Zinsen – aber wie stark?
Eigentlich ist es nicht die Art der Fed, die Märkte über die Höhe der bevorstehenden Zinssenkung in Ungewissheit zu lassen. Doch diesmal ist keine klare Tendenz zu erkennen, wie stark sie im ersten Schritt die Zinsen senken wird. Ein Artikel von Nick Timiraos und Aussagen von Bull Dudley haben zuletzt die Wahrscheinlichkeit für eine 0,5%-Senkung massiv nach oben getrieben und damit die Bullen-Party an den Aktienmärkten beflügelt.
Für die Notenbanker der Fed wird es jedenfalls keine einfache Entscheidung. Denn eine große Zinssenkung könnte die Vermutung nahelegen, dass die US-Notenbank bereits hinter der Kurve liegt und sie sich über den Zustand der US-Wirtschaft sorgen. Senkt man die Zinsen jedoch nur um 25 Basispunkte, könnte die Geldpolitik zu restriktiv bleiben und die Wirtschaft weiter ausbremsen. Zudem könnte ein kleiner Zinsschritt die Märkte enttäuschen, die bis Ende des Jahres Zinssenkungen in Höhe von 110 Basispunkten eingepreist haben.
Konjunkturdaten im Fokus
Wenn sich die Fed-Mitglieder am Dienstag zu Beginn ihrer zweitägigen Sitzung zusammensetzen, werden ihnen neue Zahlen zum Stand der Verbrauchernachfrage vorliegen. Während die gesamten Einzelhandelsumsätze im August wahrscheinlich durch die langsamere Aktivität bei den Autohändlern gebremst wurden, dürften die Einnahmen bei anderen Händlern einen gesunden Anstieg verzeichnet haben.
Trotz der Anzeichen für die Widerstandsfähigkeit der Verbraucher wird erwartet, dass der am selben Tag erscheinende Fed-Bericht ein anhaltendes Unbehagen bei der Fabrikproduktion aufzeigt. Die bevorstehenden Wahlen im November und die immer noch hohen Kreditkosten hemmen die Investitionsausgaben.
Am Mittwoch werden Regierungszahlen erwartet, aus denen hervorgeht, dass sich die Baubeginne im vergangenen Monat erholt haben, nachdem sie im Juli auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020 gefallen waren. Die Daten der National Association of Realtors am Donnerstag werden wahrscheinlich zeigen, dass die Vertragsabschlüsse bei den Verkäufen von Eigenheimen weiterhin schwach sind.
Entscheidend für den künftigen Zinspfad der Fed dürfte vor allem die Entwicklung am US-Arbeitsmarkt bleiben. Je nachdem, wie die nächsten Daten ausfallen, könnte sich der Zinskurs der Währungshüter verändern. Ein schwacher Arbeitsmarkt könnte zu einer größeren Senkung der Zinsen auf den kommenden Sitzungen im November und Dezember führen. Der nächste Arbeitsmarktbericht des Bureau of Labor Statistics (BLS) erscheint am 4. Oktober.
Bank of Japan
Der Chef der BOJ, Kazuo Ueda, wird nach der Festlegung der Geldpolitik am Freitag sicherlich viel Aufmerksamkeit erhalten. Während Ökonomen einhellig keine Änderung der Zinsen vorhersagen, könnte die Art und Weise, wie der Gouverneur den Zinskurs beschreibt, die japanische Währung aufrütteln, die bereits Yen-Händler verschreckt hat, da sie sich im bisherigen Monatsverlauf besser entwickelt hat als ihre Konkurrenten.
Die Daten könnten zeigen, dass Japans wichtigster Indikator für die Verbraucherinflation im August leicht ansteigt, was die BOJ darin bestärkt, in den kommenden Monaten eine Zinserhöhung ins Auge zu fassen.
Andernorts blickt man gespannt auf die Äußerungen von Vertretern der Europäischen Zentralbank (EZB) und prüft diese auf Hinweise auf künftige Lockerungsmaßnahmen nach der zweiten Zinssenkung in der letzten Woche. Mehrere Zentralbanker sind für einen Auftritt vorgesehen, unter anderem wird EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Freitag in Washington eine Rede halten.