Fleischkonsum und die symbolische Unterwerfung der Frau: Eine kontroverse These
In einem kürzlich veröffentlichten Interview mit dem Spiegel erhebt der vegane Ernährungssoziologe Martin Winter schwere Vorwürfe gegen Fleischkonsumenten. Er behauptet, dass Männer durch den Verzehr von Fleisch symbolisch Frauen unterwerfen würden. Diese Aussage hat für erhebliche Diskussionen gesorgt und polarisiert die Meinungen.
Tradierte Rollenbilder und Fleischkonsum
Winter, der sich seit Jahren vegan ernährt, fokussiert seine Forschung auf die Schnittstellen von Kulturwissenschaften, Wissenschafts- und Technikforschung sowie Gender Studies. Er betont, dass Fleischkonsum tief in traditionellen Weltanschauungen verankert sei. Männer müssten dringend überkommene Rollenbilder und Traditionen hinterfragen, so Winter. „Fleisch wird sehr stark mit Männlichkeit verknüpft“, erklärt er. Diese Verknüpfung stamme aus Zeiten der Industrialisierung, als Männer als Soldaten oder Fabrikarbeiter körperlich stark belastende Tätigkeiten ausführen mussten und zur Regeneration Fleisch benötigten.
Sexistische Werbung und gesellschaftliche Implikationen
Winter führt als Beispiel eine Äußerung des Bundesvorsitzenden der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, an, der 2020 erklärte, dass ein Bauarbeiter mehr Fleisch benötige als ein Büromensch. Solche Aussagen seien auf historisch gewachsene und teilweise noch bestehende Ungleichbewertungen von traditionell männlichen und weiblichen Arbeitsbereichen zurückzuführen. Die häusliche oder pflegende Arbeit, die traditionell Frauen zugeschrieben werde, werde oft nicht als gleichwertig wahrgenommen.
Besonders schockiert zeigt sich Winter über eine sexistische Komponente, die er im Fleischkonsum sieht. „Der Mann, der Fleisch isst, unterwirft nicht nur die Natur, sondern auch symbolisch die Frau.“ In der Werbebranche gäbe es zahlreiche Beispiele für diese Darstellung. Eine Anzeige, die drei Fleischstücke mit dem Text „Bauch – Beine – Po für Männer“ zeigt, sei besonders bezeichnend. Hier werde suggeriert, dass Männer Fleisch konsumieren, während Frauen ihren Körper für den männlichen Blick bearbeiten sollen.
Wachsende Positionen und gesellschaftliche Trends
Winter zeigt sich besorgt darüber, dass der Fleischkonsum – gerade unter Jüngeren – in der Vergangenheit wieder angestiegen sei, während der Anteil der Veganer und Vegetarier stagniere. „Es wird spannend, ob wir es mit einer Trendumkehr zu tun haben oder ob es doch ein Ausreißer ist.“ Er erklärt weiter, dass Informationen und Appelle offensichtlich nicht ausreichten, um große Teile der Gesellschaft zu erreichen. Die Positionen verhärteten sich, denn während Fleischverzicht seinen Exotenstatus verliere, werde Fleischkonsum umso vehementer verteidigt.
Diese Aussagen werfen ein Schlaglicht auf die tieferliegenden gesellschaftlichen Konflikte und die Frage, wie tief traditionelle Rollenbilder und Praktiken in unserer Kultur verankert sind. Während einige Winters Thesen als überzogen ablehnen, sehen andere darin wichtige Denkanstöße für eine notwendige gesellschaftliche Debatte.
Die Diskussion um Fleischkonsum und Geschlechterrollen wird sicherlich weitergehen und zeigt, wie komplex und vielschichtig die Themen Ernährung und Gesellschaft miteinander verwoben sind.