Hohe Zinsen treiben Zwangsversteigerungen in Hessen in die Höhe
Angesichts der steigenden Zinsen geraten in Hessen immer mehr Häuser und Wohnungen von verschuldeten Eigentümern unter den Hammer. Nach Angaben des Immobilienbesitzerverbandes Haus und Grund Hessen gab es 2023 mit 1.949 Neuanträgen einen Anstieg um 15,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Wir blicken mit Sorge auf diese Entwicklung“, sagte Geschäftsführer Younes Frank Ehrhardt. Die guten Jahre in Sachen Zwangsversteigerung schienen vorüber.
Trendwende durch hohe Zinsen
Von 2019 bis 2022 war die Zahl der Anträge noch gesunken. Ehrhardt führte die Trendwende auf die sprunghaft gestiegenen Zinsen und die schwierige Lage auf dem Immobilienmarkt zurück. Zu hohe Darlehensraten bei Neu- oder Anschlussfinanzierungen hätten viele Eigentümer in Schwierigkeiten gebracht, deren Immobilie auf dem freien Markt keinen Käufer fand und dann in den Zwangsverkauf ging.
Einfluss des Heizungsgesetzes
Für die Zukunft befürchtet Ehrhardt einen weiteren Anstieg der Notverkäufe. „Die Einführung des sogenannten Heizungsgesetzes wird sicher nicht zur Entspannung der Situation beitragen“, sagte er. Dieses Gesetz werde sich erheblich auf die Immobilienpreise auswirken, da Interessenten die anstehenden Modernisierungsmaßnahmen beim Kaufpreis berücksichtigen und möglicherweise ältere, unsanierte Immobilien meiden würden.
Steigende Kauflaune bei Bietern
Zwangsversteigerungen sind ein Weg, wie Gläubiger an ihr Geld kommen können. Meist kommt es dazu, wenn Immobilieneigentümer in eine finanzielle Notlage geraten sind, Haus und Grundstück nicht mehr bezahlen können oder Schulden haben. Dann leitet der Gläubiger ein Verfahren zur Zwangsversteigerung beim Amtsgericht ein. Der Mindestpreis für die Immobilie wird durch ein Gutachten bestimmt.
Eine Rechtspflegerin des Amtsgerichts Frankfurt am Main erklärte, dass dort im vergangenen Jahr knapp 45 Prozent mehr Zwangsversteigerungsanträge gestellt worden seien als im Vorjahr 2022. „Seit etwa einem Jahr können wir einen Anstieg der 'Kauflaune' bei den Bietinteressenten beobachten und es werden auch Gebote über den Verkehrswerten abgegeben“, berichtete sie. Von höheren Erlösen profitierten Gläubiger und auch die ursprünglichen Eigentümer, für die ein Übererlös verbleibe.
Erlöse im Schnitt über dem Verkehrswert
Auch das Amtsgericht Kassel verzeichnete eine Zunahme an Zwangsversteigerungen. Gab es dort 2022 laut einer Sprecherin 88 neue Verfahren, waren es im vergangenen Jahr 119. In beiden Jahren lagen die Erlöse demnach im Schnitt über dem Verkehrswert. Beim Amtsgericht Marburg hingegen ging die Zahl leicht zurück. Nach Angaben eines Sprechers gab es im Jahr 2022 insgesamt 23 Zwangsversteigerungsverfahren, 2023 waren es demnach 21.
Zahlen im langjährigen Vergleich
Das hessische Justizministerium teilte mit, eine deutliche Zunahme der Zwangsversteigerungsverfahren könne für Hessen nicht erkannt werden. „Die Zahlen für 2023 liegen deutlich unter denen von 2014 bis 2018 und ungefähr auf dem Niveau von 2019 und 2020“, erläuterte ein Sprecher. 2014 verzeichnete das Ministerium demnach 4.224 Eingänge, bis 2018 sank deren Zahl sukzessive auf 2.548. In den Jahren 2019 und 2020 wurden 2.026 beziehungsweise 1.901 Eingänge gezählt. 2021 und 2022 seien die Zahlen leicht rückläufig gewesen (1.819 beziehungsweise 1.685) und für 2023 nun wieder leicht angestiegen.
Die Zwangsversteigerungen von Immobilien lägen nach der Auffassung des Ministeriums nach absoluten Zahlen im langjährigen Vergleich immer noch auf niedrigem Niveau.
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