Nach AfD-Erfolgen: Bedroht die Partei die Unabhängigkeit der Landesverfassungsgerichte?
Die jüngsten Wahlerfolge der AfD in Brandenburg und Thüringen haben die politische Landschaft Deutschlands erschüttert. Mit mehr als einem Drittel der Sitze im Landtag hat die AfD in beiden Bundesländern eine Sperrminorität erlangt, die es ihr ermöglicht, die etablierten Parteien zu politischen Kompromissen zu zwingen. Insbesondere bei der Ernennung von Richtern an den Landesverfassungsgerichten könnte dies gravierende Folgen haben.
Die Macht der Sperrminorität
René Springer, Vorsitzender der AfD Brandenburg, betonte nach den Wahlen, dass die Partei nun in der Lage sei, die etablierten Parteien zur Zusammenarbeit zu zwingen. Dies gelte insbesondere bei der Ernennung von Richtern. Wenn die AfD ihre Zustimmung zur Richterwahl gebe, könne sie im Gegenzug verlangen, dass ihren Gesetzgebungsvorhaben zugestimmt werde. Dies könnte die Unabhängigkeit der Justiz gefährden und die politischen Kompromisse erzwingen, die die AfD anstrebt.
Warnungen vor politischen Kompromissen
Thomas Gschwend, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mannheim, sieht keine realistischen politischen Kompromisse, die demokratische Parteien mit der AfD eingehen könnten. Er warnt davor, dass die AfD die Wahl neuer Richter absichtlich blockieren könnte, um die Verfassungsgerichte zu lähmen und die Handlungsunfähigkeit der demokratischen Parteien zu demonstrieren.
Juliana Talg vom Thüringen-Projekt des Verfassungsblogs betont, dass Kompromisse mit der AfD einen Normalisierungseffekt hätten. Die AfD würde als normaler Teil des demokratischen Betriebs wahrgenommen werden, obwohl sie eine Partei sei, deren Ziel es sei, Demokratie und Rechtsstaat abzuschaffen.
Die Folgen fehlender Einigungen
Wenn es keine politischen Kompromisse gibt und keine Zweidrittelmehrheit im Parlament für die Wahl neuer Richter zustande kommt, bleiben die amtierenden Richter so lange im Amt, bis ein Nachfolger ernannt wird. Dies könnte jedoch zu Problemen führen, wenn Richter durch Tod oder Krankheit ausscheiden und keine Nachfolger benannt werden. In Thüringen könnte dies langfristig dazu führen, dass das Gericht nicht mehr beschlussfähig ist.
Das Land Brandenburg hat vorgesorgt: Hier verringert sich die Anzahl der benötigten Richter für einen Beschluss, wenn keine neuen Richter gewählt werden können. Doch wie das Beispiel Berlin zeigt, lässt sich die neue Richterwahl nicht ewig aufschieben. In Berlin zog sich die Nachbesetzung über drei Jahre hin, weil sich die Parteien nicht einigen konnten.
Langfristige Lösungen notwendig
Langfristig müssen sich die Parlamente auf neue Richter einigen. Johannes Kiess, stellvertretender Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts für Demokratieforschung an der Universität Leipzig, verweist darauf, dass Landtage mittelfristig wieder anders besetzt sein könnten. Wenn es den demokratischen Parteien gelingt, für Wähler wieder attraktiv zu werden, könnte die nächste Sitzverteilung eine andere sein.
Talg und der Wissenschaftler Fabian Wittreck von der Universität Münster hatten vorgeschlagen, in den Landesverfassungen zu verankern, dass die amtierenden Richter ein Vorschlagsrecht für ihre Nachfolger haben, das mit einfacher Mehrheit im Parlament bestätigt werden kann. Dies hätte verhindern können, dass eine in Teilen verfassungsfeindliche Partei die Wahl von Verfassungsrichtern blockiert und die Verfassungsgerichte schwächt.
Unabhängigkeit der Richter in Gefahr?
Die Besetzung der Gerichte mit extremen Kräften könnte Teil eines Umbaus der Institutionen sein, wie es in Polen und Ungarn der Fall war. Dort wurden Regeln geändert, um die Gerichte besetzen zu können, oder die Arbeit der Gerichte wurde durch den Erlass neuer Regeln behindert. In Deutschland sind Richter mit Parteibuch nicht unüblich, doch die Unabhängigkeit der Richter könnte durch die AfD gefährdet werden.
Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die AfD ihre Macht nutzen wird, um die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben, oder ob es den demokratischen Parteien gelingt, politische Kompromisse zu verhindern und die Unabhängigkeit der Verfassungsgerichte zu sichern.