Volvo revidiert Verbrenner-Ausstieg – Folgt eine Trendwende in der Automobilindustrie?
Die Ankündigung des schwedisch-chinesischen Automobilherstellers Volvo, auch nach 2030 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren anzubieten, hat in der Branche für Aufsehen gesorgt. Noch vor kurzem hatte das Unternehmen angekündigt, ab diesem Zeitpunkt ausschließlich Elektroautos zu produzieren und zu verkaufen.
Eine strategische Neuausrichtung
Der jetzt eingeschlagene Kurswechsel deutet auf eine Trendwende hin, die sich zunehmend bei den großen Automobilherstellern abzeichnet. Die Klimaziele, die zunächst von einem Großteil der Automobilhersteller vollmundig verkündet wurden, werden nun, nach und nach schrittweise revidiert. Volvo plant, bis zum Ende der Dekade zwar 90 Prozent seines Absatzes durch Elektroautos oder Plug-in-Hybride zu erzielen, doch die verbleibenden 10 Prozent sollen weiterhin durch Verbrennerfahrzeuge gedeckt werden.
Für das Geschäftsjahr 2025/26 ist hingegen das Ziel, dass 50 bis 60 Prozent des Umsatzes aus Hybrid-Autos sowie vollelektrischen Modellen bestehen sollen. Diese Entwicklung kommt nicht allein von Volvo. Auch Mercedes hat kürzlich eine Anpassung seiner Strategie bekanntgegeben, wonach bis 2030 sogar nur noch die Hälfte der Fahrzeugpalette elektrisch sein soll. Damit stellen sich immer mehr Unternehmen die Frage, ob die alleinige Ausrichtung auf Elektromobilität tatsächlich der richtige Weg ist.
Marktentwicklung und Nachfrage
Ein weiterer Grund für den Kurswechsel ist die stagnierende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen. Der Markt entwickelt sich langsamer als erwartet, was zum Teil an der fehlenden Verfügbarkeit preiswerter Modelle auf dem europäischen Markt und dem schleppenden Ausbau der Ladeinfrastruktur liegt. Kunden und Märkte bewegen sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Darüber hinaus fallen in vielen Märkten die staatlichen Kaufanreize weg, wie beispielsweise in Deutschland, wo die Bundesregierung das Förderprogramm für Elektroautos (Umweltbonus) kurzfristig zum 18. Dezember 2023 eingestellt hat. Diese Anreize hatten in den letzten Jahren maßgeblich zum Erfolg der Elektromobilität beigetragen.
Geopolitische und wirtschaftliche Faktoren
Volvo muss sich auf die möglichen Auswirkungen europäischer Zölle auf in China hergestellte Elektroautos vorbereiten. Ein erheblicher Teil der Volvo-Produktion findet nämlich bereits in China statt, und die Abhängigkeit von diesem Markt wächst. In den Werken in Chengdu, Daqing und Taizhou werden die meisten Erfolgsmodelle wie der XC60, S90 und C40 produziert. China ist inzwischen der größte Einzelmarkt für das Unternehmen. Um auf die erwartete Erhöhung der EU-Zölle für aus China importierte Elektroautos zu reagieren, plant Volvo, die Produktion seiner Elektrofahrzeuge nach Belgien zu verlagern. Dieser Schritt soll dem Unternehmen mehr Flexibilität verschaffen und es näher an den europäischen Absatzmärkten positionieren.
Einfluss des Mutterkonzerns Geely
Der Einfluss des chinesischen Mutterkonzerns Geely auf die strategischen Entscheidungen von Volvo ist trotz eines scheinbaren Rückzugs nach wie vor spürbar. Volvo-CEO Jim Rowan betonte kürzlich, dass das Unternehmen zwar einige Anpassungen im Bereich der Elektromobilität vornehme, jedoch weiterhin fest davon überzeugt sei, dass die Zukunft elektrisch ist. Er erläuterte, dass der Übergang zur Elektrifizierung nicht geradlinig verlaufen werde, da sowohl Kunden als auch Märkte unterschiedlich schnell auf diesen Wandel reagieren: „Unsere Zukunft ist elektrisch, doch der Weg dorthin wird keine Einbahnstraße sein.“
Technologische Offenheit als Schlüssel zum Erfolg
Diese Aussage deutet darauf hin, dass Volvos temporäres Abbremsen in der Elektromobilität weniger eine strategische Umkehr als vielmehr eine kurzfristige Maßnahme zur Stabilisierung des Absatzes darstellt. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Volvo grundlegend von seinem elektrischen Kurs abweichen wird, zumal der Druck aus China, insbesondere von Geely, zur weiteren Fokussierung auf E-Mobilität bestehen bleibt. China hat frühzeitig das immense Potenzial der Elektromobilität erkannt. Dabei geht es jedoch weniger um umwelttechnische Beweggründe, sondern um die wirtschaftlichen Chancen, sich als globaler Vorreiter zu etablieren.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Geely gleichzeitig eine neue strategische Allianz verfolgt, die einen komplett anderen Weg aufzeigt: Das Unternehmen hat zusammen mit Renault das Joint Venture „Horse“ gegründet, welches sich auf die Entwicklung und Produktion von Verbrennungsmotoren und Hybridantrieben spezialisiert. Diese Initiative umfasst 17 Motorenwerke und fünf Forschungs- und Entwicklungszentren mit insgesamt rund 19.000 Mitarbeitern. Das Ziel ist ambitioniert: Jährlich sollen bis zu fünf Millionen Motoren sowie Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Systeme und Getriebe produziert werden.
Fazit: Eine flexible Zukunft
Selbst wenn Volvos Kurskorrektur eher klein erscheint und vermutlich keinen erheblichen Einfluss haben wird, verdeutlicht sie dennoch deutlich, dass der Verbrennungsmotor weiterhin gefragt ist und Elektroautos sich als weniger marktfähig erweisen als erwartet. Es ist wahrscheinlich, dass neben Herstellern wie Mercedes und Volvo auch künftig andere Automobilkonzerne dazu neigen werden, verschiedene Antriebstechnologien zu kombinieren. Die ursprünglich als unumstößlich geltende Klimapolitik wird zunehmend hinterfragt. Viele Hersteller erkennen, dass eine flexible, technologieoffene Strategie entscheidend sein könnte, um in einem sich wandelnden Marktumfeld erfolgreich zu bleiben. Die Zukunft der Mobilität wird höchstwahrscheinlich vielschichtiger sein als nur elektrisch – und Volvo scheint sich darauf einzustellen.
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