Kritik am Bürgergeld: Ex-Chefs der Bundesagentur für Arbeit schlagen Alarm
Die Debatte um das Bürgergeld, das im Januar 2023 das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) abgelöst hat, nimmt weiter an Schärfe zu. Insbesondere die ehemaligen Vorstandsmitglieder der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise und Heinrich Alt, äußern deutliche Kritik an der aktuellen Ausgestaltung und den Auswirkungen des Bürgergelds.
„Jobcenter gelähmt von Bürokratie“
Frank-Jürgen Weise, der von 2004 bis 2017 die Bundesagentur für Arbeit leitete, beklagt im Gespräch mit dem „Spiegel“ die mangelnde Transparenz und Steuerbarkeit des Systems. „Es gibt in Deutschland 260.000 junge Menschen zwischen 25 und 45, die seit längerer Zeit nicht arbeiten, obwohl sie alle Kriterien für Erwerbstätigkeit erfüllen“, so Weise. Er bezeichnet diese Situation als „in dieser Dimension nicht hinnehmbar“ und kritisiert, dass die Jobcenter „wie gelähmt von Bürokratie“ seien.
Akzeptanzprobleme und soziale Ungerechtigkeit
Heinrich Alt, der zwischen 2002 und 2015 im Vorstand der BA war, sieht ebenfalls gravierende Probleme. Er spricht von einem „Akzeptanzproblem“ des Bürgergelds. „Wer arbeite, aber wenig verdiene, frage sich: ‚Was bekommt ein Bürgergeld-Empfänger? Was bekomme ich?‘“, so Alt. Diese Ungerechtigkeit sorge für Unmut in der Bevölkerung.
Der Regelsatz für das Bürgergeld liegt seit Anfang 2024 bei 563 Euro für Alleinstehende. Partner in einer Bedarfsgemeinschaft erhalten jeweils 506 Euro. Für Kinder gibt es je nach Alter zwischen 357 und 471 Euro zusätzlich. Zudem übernimmt das Jobcenter die Kosten für Miete und Heizung in angemessener Höhe.
Steigende Kosten und sinkende Akzeptanz
Im Jahr 2023 gab die Bundesagentur für Arbeit über die Jobcenter rund 42,6 Milliarden Euro für Bürgergeldbezieher aus. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor waren es rund 36,6 Milliarden Euro. Diese Zahlen stammen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Arlt aus Mecklenburg-Vorpommern sieht ebenfalls die Akzeptanz des Bürgergelds in Gefahr. „Keiner versteht, warum jemand, der bei Sonnenaufgang ins Bett geht und den ganzen Tag auf dem Sofa liegt, nur etwas weniger haben soll als einer, der zur gleichen Zeit in den Schweinestall arbeiten geht“, sagte Arlt. Er hofft, dass seine Partei umsteuert und betont: „Wir sind nicht die Partei der Arbeitslosen, sondern die Partei der Arbeit.“
Änderungen in Aussicht
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich stellte am Wochenende Änderungen an den Plänen der Ampelkoalition zur Reform des Bürgergelds in Aussicht. „Was wir im Bundestag zum Bürgergeld beschließen, wird mehr und anderes umfassen, als die Regierung vorgeschlagen hat“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Konkrete Maßnahmen nannte er jedoch nicht.
CSU fordert Rückkehr zur Sozialhilfe
Die CSU erneuerte ihre grundlegende Kritik am Bürgergeld. „Die angekündigten Änderungen am Bürgergeld sind ein Schuldeingeständnis der SPD, dass das Bürgergeld gescheitert ist und die Menschen vom Arbeiten abhält“, sagte Generalsekretär Martin Huber. Er fordert die Abschaffung des Bürgergelds und die Rückkehr zur alten Sozialhilfe.
Die Bundesregierung plant indes, mit schärferen Regeln mehr Bezieher von Bürgergeld zur Aufnahme einer Arbeit zu bewegen. So soll künftig ein längerer Weg zur Arbeit zumutbar sein, das Ablehnen einer zumutbaren Arbeit mit erhöhten Leistungskürzungen geahndet werden und auch Schwarzarbeit zu Kürzungen führen. Diese und weitere Maßnahmen sind Bestandteil der sogenannten Wachstumsinitiative der Bundesregierung, die vor allem dazu dienen soll, die lahmende Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.
Die Diskussion um das Bürgergeld zeigt, wie tief die Gräben in der deutschen Sozialpolitik sind. Während die einen auf Reformen setzen, fordern andere eine radikale Rückkehr zu alten Systemen. In jedem Fall bleibt abzuwarten, wie sich die politischen Entscheidungen auf die Betroffenen und die Gesellschaft insgesamt auswirken werden.
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