Schweiz: Umfassende Reform des elektronischen Patientendossiers (EPD)
Der Schweizer Bundesrat hat eine weitreichende Reform des elektronischen Patientendossiers (EPD) angekündigt, die das Gesundheitssystem des Landes erheblich verändern könnte. Ziel ist es, das EPD stärker zu verankern und für alle Bürger automatisch zu eröffnen. Diese Maßnahme soll durch eine zentrale technische Infrastruktur unterstützt werden, die der Bund bereitstellen wird. Zudem wird die Teilnahme für alle Leistungserbringer, einschließlich Ärztinnen und Ärzte, verpflichtend.
Opt-out-Modell und Zentralisierung
Eine der bedeutendsten Änderungen ist die Einführung eines Opt-out-Modells. Künftig wird jedem Bürger automatisch ein EPD erstellt, es sei denn, man widerspricht aktiv. Wer kein Dossier möchte, muss dies dem Wohnsitzkanton melden. Diese Maßnahme soll die Verbreitung des EPDs deutlich steigern, da bislang nur etwa 72.000 Menschen ein EPD eröffnet haben, was weniger als einem Prozent der Bevölkerung entspricht.
Zusätzlich soll die bisher dezentral organisierte technische Infrastruktur, die von acht verschiedenen Anbietern bereitgestellt wird, in staatliche Hand übergehen. Der Bund plant, eine einheitliche Plattform zu schaffen, um die Komplexität zu reduzieren und den Austausch von medizinischen Daten effizienter zu gestalten. Diese Zentralisierung soll die Interoperabilität verbessern und die Sicherheit der Daten gewährleisten.
Verpflichtende Nutzung und Übergangsfristen
Das EPD wird in Zukunft nicht nur in Spitälern und Pflegeeinrichtungen verpflichtend genutzt, sondern auch bei ambulanten Leistungserbringern wie Hausärzten, Apotheken und Therapeuten. Dies bedeutet, dass alle relevanten Gesundheitsinformationen entlang der gesamten Behandlungskette im Dossier festgehalten werden. Übergangsfristen sollen dafür sorgen, dass sich die Leistungserbringer an die neuen Regelungen anpassen können.
Staatliche elektronische Identität (E-ID)
Für den Zugang zum EPD soll die geplante staatliche elektronische Identität (E-ID), die ab 2026 verfügbar sein wird, genutzt werden. Diese Maßnahme soll den Zugang und die Nutzung des EPDs weiter vereinfachen.
Kritische Stimmen und Datenschutzbedenken
Während die Mehrheit der politischen Akteure die geplanten Änderungen befürwortet, gibt es auch kritische Stimmen. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) äußerte Bedenken bezüglich des Opt-out-Modells und befürchtet eine Stigmatisierung von Personen, die kein EPD nutzen möchten. Die SP fordert, dass der Schutz der Daten oberste Priorität hat, während die Grünliberalen einen Neustart des gesamten Systems vorschlugen.
Datenschutzbedenken sind nicht unbegründet. Sobald Daten vorhanden sind und es technisch möglich ist, diese zu verknüpfen, entstehen Begehrlichkeiten. Die Möglichkeit, Daten zu verknüpfen und immer neue Auswertungen zu machen, könnte potenziell zu Diskriminierungen führen, beispielsweise in Bezug auf den Impfstatus.
Fazit und Ausblick
Die nächsten Schritte sehen vor, dass der Bundesrat im Frühjahr 2025 dem Parlament die Botschaft zur Gesetzesrevision vorlegt. Die neue technische Infrastruktur soll durch eine Ausschreibung beschafft werden, und die bisherigen Provider werden weiterhin als Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten sowie für Leistungserbringer fungieren.
Zusammenfassend bleibt abzuwarten, wie die Bevölkerung und die Leistungserbringer auf diese umfassenden Änderungen reagieren werden. Es ist jedoch klar, dass der Bundesrat entschlossen ist, das EPD zu einem festen Bestandteil des Schweizer Gesundheitssystems zu machen, trotz der bestehenden Bedenken und Herausforderungen.
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