Deutschland im internationalen Standortranking nur noch auf Platz 24
Christian Lindner muss sich eine neue Zahl merken. Der Bundesfinanzminister erwähnt in Reden und Interviews häufig, dass Deutschland seit Jahren an Wettbewerbsfähigkeit verliere und im internationalen Standortranking auf Platz 22 zurückgefallen sei. Die aktuelle Rangliste der wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften der Welt, die das IMD World Competitiveness Center (WCC) seit 36 Jahren veröffentlicht, verrät nun, dass Deutschland zwei weitere Plätze nach hinten gerutscht ist.
Das WCC gehört zur privaten Wirtschaftshochschule IMD im schweizerischen Lausanne. Nach den vom WCC in diesem Frühjahr zusammengetragenen und hernach analysierten Daten und Einschätzungen rangiert Deutschland unter den 67 verglichenen Ländern nur noch auf Platz 24 und somit hinter China (Platz 14), Saudi-Arabien (16) und Island (17), aber vor Österreich (26), Großbritannien (28) und Frankreich (31). 2022 lag die Bundesrepublik noch auf Platz 15, 2014 auf Platz 6. Singapur, die Schweiz, Dänemark und Irland schneiden in der aktuellen Bewertung am besten ab.
Die Methodik der Rangliste
Um die Rangliste zu erstellen, greifen die Forscher auf 164 statistische Indikatoren zurück, die sie in vier Hauptfelder untergliedern: Wirtschaftsleistung, Infrastruktur sowie die Effizienz der Regierung und der Unternehmen. Dazu nutzen die Wissenschaftler Daten von Organisationen wie der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und des Euromonitor. Zusätzlich flossen die Ergebnisse einer Umfrage unter mehr als 6600 Führungskräften aus aller Welt ein.
Ukraine-Krieg ist nicht der einzige Grund
Wie schon im Vorjahr hat Deutschland auf allen vier Hauptfeldern Boden verloren. Arturo Bris, Finanzprofessor am IMD und Leiter des World Competitiveness Centers, erklärt dies zunächst allgemein mit den Folgen des Ukraine-Kriegs, der die Wirtschaftsleistung gebremst, die Inflation befördert und einen politischen und sozialen Kollateralschaden verursacht habe. Im Gespräch mit der F.A.Z. verweist Bris aber auch auf hausgemachte Probleme: „Deutschland ist schwach darin, auf Veränderungen zu reagieren und sich flexibel anzupassen. In diesem Punkt rangiert das Land auf Platz 64 und somit auf einem ähnlich schlechten Niveau wie Venezuela.“
Vor allem kleine und mittelständische deutsche Unternehmen agierten oft zu langsam und täten sich schwer damit, neue produktivitätsfördernde digitale Technologien in ihre Geschäfte zu integrieren. „Die Firmen müssen viel schneller werden“, mahnt Bris. Er ist der Ansicht, dass die Bundesregierung hier unter anderem mit fiskalischen Anreizen nachhelfen sollte. Dabei bezieht sich der Wissenschaftler auch auf die Ergebnisse seiner Führungskräfteumfrage. Diese ergab, dass die hohen Steuern in Deutschland als besonders große Last und damit als gravierender Wettbewerbsnachteil wahrgenommen werden. Überhaupt sei die Stimmung unter den Managern deutlich schlechter geworden: „Der typische deutsche Geschäftsführer ist heute viel pessimistischer als noch vor drei Jahren.“
Schlechte Noten für die deutsche Regierung
Das hat offenbar auch mit der Leistung der Ampel-Regierung in Berlin zu tun. Die Forscher haben die Führungskräfte anhand einer Reihe von Kriterien gefragt, für wie attraktiv sie ihren Wirtschaftsstandort halten. Das Ergebnis: mehrheitlich Lob für das hohe Bildungsniveau, die qualifizierten Arbeitskräfte und die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. Aber nur gut 5 Prozent der Manager sprachen der Bundesregierung zu, kompetent zu arbeiten. Lediglich 12 Prozent erkannten ein geschäftsfreundliches Umfeld.
In der Gesamtkategorie „Regierungseffizienz“ landete Deutschland in der IMD-Rangliste auf Platz 32 und verlor damit elf Plätze gegenüber dem Jahr 2022. Dass andere große Länder wie die USA (Platz 34) und Frankreich (43) in dieser Kategorie noch schlechter abschnitten, kann für die Ampel kein Trost sein.
Wenige kleine Länder am stärksten
Wenig überraschend schneidet Deutschland auch auf dem Feld der Basisinfrastruktur schlecht ab und fiel um drei Plätze auf Rang 35 zurück. Die laufenden Investitionen in das Bahnnetz zeigen also noch keine erkennbare Wirkung. Gut positioniert ist die Bundesrepublik aber nach wie vor in der Wissenschaft, auch wenn es hier um zwei Plätze auf Rang 5 bergab ging.
Es fällt auf, dass vor allem kleine Länder wie Singapur, die Schweiz und Dänemark im internationalen Vergleich am wettbewerbsfähigsten sind. „In kleinen Volkswirtschaften ist es viel leichter, einen politischen Konsens herzustellen als in großen Ländern wie den Vereinigten Staaten oder Deutschland“, erläutert Bris. Zugleich profitierten diese Länder von ihrem guten Zugang zu den großen Märkten, in die sie viele Güter exportierten. „Klein zu sein ist nicht per se eine Garantie für Erfolg.“