Schweizer Großreederei übernimmt fast die Hälfte der Hamburger Hafen AG: Ein "historischer Fehler"?
Der geplante Einstieg der Schweizer Großreederei MSC in die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) sorgt für erhebliche Kontroversen. Nachdem die Bundesregierung den Einstieg des chinesischen Konzerns Cosco auf 24,99 Prozent beschränkte, steht nun ein weiterer umstrittener Verkauf von Anteilen im Hamburger Hafen an. MSC plant, 49,9 Prozent der HHLA zu übernehmen, was heftigen Widerstand hervorruft.
Politische und gesellschaftliche Reaktionen
In der Hamburger Bürgerschaft formierte sich eine ungewöhnliche Koalition aus CDU, Linkspartei, FDP und AfD, um den Deal zu verhindern. Diese Parteien bezeichneten den Verkauf als "historischen Fehler" und warnten davor, das "Tafelsilber" Hamburgs zu verscherbeln. Auch innerhalb der Grünen gibt es Bedenken gegen den Verkauf.
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre appellierte im Vorfeld der Hauptversammlung an den Senat, den Deal zu stoppen. Befürchtet werden Umweltschäden durch veraltete Containerschiffe und ein Abbau der Rechte der Beschäftigten. Zwischen 2005 und 2020 kam es auf MSC-Schiffen mehrfach zu Havarien oder absichtlichen Verstößen gegen Umweltbestimmungen.
Wer steckt hinter MSC?
Die Mediterranean Shipping Company (MSC) gehört der italienischen Milliardärsfamilie Aponte, deren Oberhaupt Gianluigi Aponte über ein Vermögen von 20,6 Milliarden US-Dollar verfügen soll. MSC ist die weltweit größte Linienreederei und beschäftigt etwa 100.000 Mitarbeiter. Der Umsatz des Unternehmens betrug im Jahr 2022 rund 86,4 Milliarden Euro, der Gewinn lag bei 36,2 Milliarden Euro.
Unmut und Unsicherheit unter den Beschäftigten
Auch die etwa 6.800 Beschäftigten und die Gewerkschaft Verdi äußerten Bedenken. Zwar wurde im Vertrag mit dem Senat ein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen für fünf Jahre vereinbart, doch was danach kommt, ist ungewiss. Die HHLA soll von der Börse genommen werden, und die Anteile sollen in eine Dachgesellschaft wandern. Kritiker werfen dem Senat vor, die HHLA-Anteile unter deren tatsächlichem Wert zu verkaufen.
Ein "über den Tisch gezogener" Senat?
Bereits 2023 warf der frühere Chef des Unternehmensverbandes Hamburger Hafen, Gunther Bonz, MSC vor, den Senat "über den Tisch gezogen" zu haben. Die Opposition kritisiert, dass der Verkaufspreis von 16,75 Euro pro Aktie, obwohl 48 Prozent über dem Börsenkurs, die HHLA nur mit 1,2 Milliarden Euro bewertet – was als zu niedrig angesehen wird.
Politische Implikationen und Zukunftsaussichten
Der Verkauf der Mehrheit der HHLA-Anteile wäre potenziell Munition für die Opposition im Bürgerschaftswahlkampf im Februar 2025 gewesen. Bis dato gehören 70 Prozent der Anteile der Freien und Hansestadt Hamburg, der Rest befindet sich im Streubesitz. Künftig will die Stadt 50,1 Prozent behalten. Im Frühjahr 2023 reisten Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel nach Genf, um umfangreiche Vorgespräche mit MSC-CEO Sören Toft zu führen. Toft kündigte eine Verdoppelung des Containergeschäfts in Hamburg bis 2031 an.
Ob der Deal letztlich zustande kommt, bleibt abzuwarten. Es steht noch die Abstimmung in zweiter Lesung aus, und auch der Bund könnte sich noch querstellen, da es sich um kritische Infrastruktur handelt. Die Zukunft des Hamburger Hafens hängt somit weiterhin in der Schwebe.
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